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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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einziges Mal und küsste sie nur einmal am Hals unter dem Ohr, nachdem das Mädchen Ja gesagt hatte; und er ließ ihre Taille beinahe sogleich wieder los. Vielleicht befürchtete er, dass er sich nicht werde im Zaum halten können, sagte sich jetzt Adrienne, jetzt, da sie ihren Mann besser kannte. Freilich gab es damals wie später – manchmal, wenn sie einander gegenübersaßen – ein seltsames, hungriges Funkeln in den Augen des Mannes, aber sie achtete nicht darauf, denn etwas Rätselhaftes war immer in Uzdys Wesen gelegen. Gerade dies unterschied ihn von den anderen und machte ihn interessant. Nach ihrem Hochzeitsfest, als sie mit der Kutsche nach Almáskő fuhren, behielt er den gleichen gemessenen Ton, der Kameradschaft vorspiegelte, und er tat dies auch dort noch bis zur Schlafensstunde; nur in seinen Augen flackerte jenes verborgene, lauernde Licht. Er machte den Eindruck eines großen Raubtiers, das seine Beute vorsichtig umkreist. Adriennes Herz krampfte sich vor Furcht zusammen. In der Nacht kam er dann herein und fiel über sie her. Er stürzte sich mit zusammengepressten Zähnen auf sie. Reißende Hände ergriffen sie mit entsetzlicher Rohheit, sie drückten ihre Mädchenglieder auseinander. Er unterjochte und schändete sie, wie Adrienne es empfand, und er konnte bis am Morgen von ihr nicht satt werden. Bei Tagesanbruch verließ er ohne ein Wort der Dankbarkeit stumm das schon im Dämmerlicht liegende Schlafzimmer.
    Sie sah auch jetzt noch die große, hagere Gestalt, wie sie sich vor dem hellen Fenster schwarz abzeichnete, wie damals spürte sie jetzt noch seinen widerlichen Geruch, als er die erniedrigte und vor Ekel beinahe ohnmächtige Frau in ihrem zerrissenen Hemd im zerwühlten und besudelten Bett zurückließ. Dies war auch später so. Immer dasselbe. Uzdy versuchte niemals, in seiner Frau etwas anderes zu erwecken als diese sich stets steigernde Furcht. Vielleicht gefiel es ihm, furchterregend zu sein. Mag sein, dass bei ihm irgendein atavistischer Zug zum Vorschein kam, etwas von der Leidenschaft des Urmenschen, der, auf Mädchenraub aus, einen Reiz nur daran gefunden hatte, dem widerstrebenden Weib Gewalt anzutun. Seither überkam Adrienne jedes Mal, wenn sie in den Augen ihres Mannes das wohlbekannte Glimmen wahrnahm, ein Gefühl, als lauerte ihr ein Meuchelmörder auf.
    Jetzt, an diesem dunklen Nachmittag, während die Spalten des Lichts am Rand der Fensterflügel immer schmaler wurden, erwachte all dies in Adriennes Seele so lebendig, so abscheuerregend wie vielleicht noch nie zuvor. Sie sah, seit sie zur Frau geworden war, das Liebesleben auf diese Art, einzig auf diese Art und in dieser Form, und der Gedanke ließ sie erschauern, dass sich auch Bálint danach sehnte, diese Grässlichkeit von ihr wünschte. Und sie hatte ihn im Glauben belassen, das sei möglich!
    Sie hatte ihm Hoffnung gemacht, er könnte sie zu dergleichen gewinnen. Nein, nein! Dies niemals! Man musste der Sache ein Ende setzen, zeigen, dass sie Nein sagte. Nicht ihn hinhalten, das wäre Betrug! Sondern unverzüglich ein Ende machen, bevor diese nicht körperliche, aber bezaubernde Liebe, die in ihr so jäh erwacht war und die sie willenlos in die Arme Abádys trieb, sie weiterführte. Denn jetzt, da sie sich entsann, verspürte sie, dass in solcher Betäubung wie letzte Nacht das Entsetzliche, sosehr sie sich davor fürchtete und selbst beim Gedanken daran erschauerte, doch geschehen könnte, und sie würde Bálint danach nur noch hassen können, hassen für immer. Ihre Liebe vor der Vernichtung zu bewahren – dieses Motiv, so leise es auch war, spielte auch mit, als sie jetzt plötzlich einen Entschluss fasste. Sie sprang aus dem Bett; nichts zog sie an, sondern eilte im langen Nachthemd, in Pantoffeln schlurfend, in den Tagesraum. Dämmerung hatte das Zimmer schon gefüllt. Rasch begab sie sich zum Schreibtisch. Die kleine, bronzene Uhr zeigte Viertel nach vier. Sie musste unverzüglich handeln. Mit dem Bleistift warf sie einige Zeilen auf ein Blatt Papier: »Ich habe entsetzlich Kopfweh und auch etwas Fieber. Ich kann Euch heute nicht zum Ball mitnehmen. Sorgt für jemanden, der mich ersetzt. Addy.«
    Das Blatt ließ sie in den Umschlag gleiten, versah ihn mit der Adresse – an Frau Gräfin Judith Milóth –, und darunter setzte sie, zweimal unterstrichen: Sofort. Dringend.
    Sie legte sich wieder hin. Neben dem Bett zündete sie eine Kerze an und läutete dem Zimmermädchen. »Man soll das auf der Stelle

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