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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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immer unruhiger. Ach, warum nur hatte sie diesen Entschluss gefasst? Sie hätte ihm ja erklären können, dass er nichts erwarten dürfe, Bálint Abády hätte sie wohl verstanden – statt ihn zu hintergehen und ihm den Rücken zu kehren. Wäre etwa Schlimmes daraus entstanden, wenn sie ihn nur noch einmal, heute Abend auf dem Ball wiedergesehen hätte? Wo er doch ohnehin nicht hierbleibt, als Abgeordneter fährt er nach Budapest, oder er zieht ins Hochgebirge, er geht auf jeden Fall fort, warum also, warum nicht noch dieses eine Mal? Doch nun war es zu spät. Sie hat abgesagt. Sie spielte all die vielen Lügen vor, nur um sich diese einzige Freude zu versagen. Die spärliche Freude, die sich anbot. Etwas anderes, worüber sie sich freuen könnte, hatte sie ohnehin nicht, nichts, niemals! … Nie etwas. Sie ging dies im Geist mehrmals, unzählige Male durch. Es schnürte ihr die Kehle zu. Tränen traten ihr in die Augen; die eine oder andere glitt die Wange hinab und rollte hinunter auf ihre Brust. Ein Schluchzen würgte sie immer stärker. Lange, ohne Ende weinte sie in ihr schwarzes Haar hinein. Unter sich erneuernden Anfällen weinte sie lautlos, wer weiß, wie lange …
    Die Turmuhr ertönte wieder, aber sie zählte die Schläge nicht mehr. Beim morgendlichen Erwachen waren ihr Haar und ihr Kissen von den Tränen noch nass.

VII.
    Im Casino hatte sich die gesamte Gesellschaft versammelt. Erwartungsvolle Stimmung herrschte. Es war spät. Die Milóths fehlten noch, dabei ging es auf halb neun zu, und man hatte das Nachtessen auf punkt acht Uhr angekündigt.
    Der Aschermittwoch-Ball galt nicht als ähnlich festlich wie derjenige am Faschingsdienstag. Die alten Damen besuchten ihn nicht mehr. Nur Mütter mit Töchtern stellten sich ein; sie saßen verstreut im Großen Salon oder im ersten Raum hinter dem Eingang, denn man würde ohnehin gleich in den Speisesaal im Erdgeschoss hinuntermüssen. Einige ältere Herren waren auch heute erschienen, unter ihnen der greise Dani Kendy, von Onkel Ambrus nicht zu reden, denn er zählte ja noch zu den Tänzern, zu denen, die beim Vergnügen mitmachten. Kendy, noch ganz nüchtern, umschmeichelte die Damen, obwohl er dabei oft zum Eingang schielte, da es ihn doch sehr zu Tisch und zum Wein zog. Farkas Alvinczy schaute fortwährend auf seine Uhr. Der Wirt hatte ihm schon zweimal ausrichten lassen, dass das Nachtmahl, falls er nicht gleich servieren dürfe, verderben werde. »Fünf Minuten warten wir noch«, antwortete er, war aber verärgert, denn er hielt große Stücke auf die Perfektion von allem, was er organisierte.
    Auch andere behielten die Tür unruhig im Blick. Ádám Alvinczy und Pityu Kendy vertraten sich in der Nähe die Beine, ferner Wickwitz, der etwas weiter hinten stand. Auch Abády befand sich dort. Er hatte sich – gegenüber der Tür – neben Frau Laczók gesetzt, um Adrienne und ihre Angehörigen ohne Aufsehen zu erwarten. Auch seine Augen hingen an der Tür. Die Konversation verlief nicht eben lebhaft. Man sprach nur hier und dort ein Wort über alltägliche Dinge; es lohnte sich nicht, weiter auszuholen, wo das Begonnene doch unterbrochen werden müsste. Die Zeit aber verging.
    Alvinczy wandte sich an seinen Mit-Vortänzer, Baron Gazsi: »Was meinst du, sollen wir auftragen lassen? Alles verdirbt.«
    »Das stimmt, aber es fällt doch schwer … Man müsste anfragen lassen, was mit ihnen los ist. Man müsste den Milóths telefonieren.«
    »Sie haben kein Telefon, aber wir sollten ihnen eine Kutsche entgegenschicken. Womöglich ist etwas geschehen, ein Pferd ist vielleicht gestürzt, und sie sind irgendwo stecken geblieben. Etwas muss unbedingt passiert sein, denn sonst …«, sagte Farkas und schaute abermals auf seine Uhr.
    »In der Tat, das wäre am klügsten«, und Baron Gazsi begab sich hinaus, um seine Anordnungen zu treffen.
    Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, da erdröhnte von draußen eine Stentorstimme durch das ganze Casino: »Eine solche Schweinerei! Ich kann nichts dafür! Wie geht es dir, mein Vögelein? Mich hat man herausgezerrt, mich alten Mann!« Und durch die sich breit öffnende Tür traten Judith und Margit Milóth, gefolgt von ihrem Vater, dem alten »Zakata«. Sie schritten der Mitte zu und grüßten der Reihe nach die sich zu ihnen gesellenden jungen Herren, Abády, Pityu und Ádám.
    »Kommt Gräfin Adrienne nicht?« Die Frage wurde Margit Milóth von Ádám gestellt. Sie hob ihr Sperlingsnäschen und antwortete Ádám,

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