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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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gegründet hatten. Neben dem Bankier saß Péter Benő Balogh, der ehrgeizige Hauptnotar, bei Erneuerungswahlen ständiger Gegenkandidat für das Amt des Vizegespans, dann Onkel Ambrus, den es nach innerer Überzeugung eher zur Opposition zog, der aber äußerlich in allem mit Kajsza ging, hernach die beiden Alvinczy-Söhne, Ádám und Zoltán, die es wiederum in allem mit Ambrus hielten, und zuletzt Jóska Kendy, die Stummelpfeife im Mund. Der Letztgenannte politisierte zwar nie, war jetzt aber gerade dabei, zwei seiner ausgemusterten Pferde dem Obergespan aufzuschwatzen. Hier allerdings brach die Reihe der Regierungstreuen ab, und es folgte Zoltán Varju, ein stark behaarter Mann mit schwarzem Bart, Nachbar der Laczóks und ein Leithammel der Opposition im Komitat und gefährlicher Volksredner. Auch auf der Linken des Hausherrn hatten viele Gäste Platz genommen. Vizegespan Ördüng saß dort, der mit der Opposition zu paktieren pflegte, ferner Stuhlrichter Gaálffy, sein Vertrauter, im Weiteren ein älterer Herr und einstiger Abgeordneter, Péter Bartókfáy, der in ungarischen Beinkleidern und Stiefeln erschienen war; neben ihm Doktor Zsigmond Boros, ein vornehmer Anwalt in der Region sowie einer der Führer in der Stadt, und zuletzt ein zur Fülle neigender Jüngling mit einem Säuglingsgesicht, Isti Kamuthy, der heimlich politische Ambitionen hegte und sich deshalb gern unter »ernsthafte Leute« mischte.
    Der alternde Dániel Kendy, den Kopf auf den Ellbogen gestützt, hatte sich zwischen Varju und Kamuthy Platz geschafft, doch das von jedem Parteistandort unabhängig, er zog es bloß vor, einem Tisch mit gespritztem Wein nahe zu sein; er meldete sich denn auch nie zu Wort, sondern nahm still immer wieder einen Schluck.
    Draußen, im äußeren Ring, saß die Jugend, die Tänzer beim heutigen Ball, und auch solche, die um den Tisch keinen Platz mehr gefunden hatten. Zu ihnen gehörte auch Tihamér Abonyi, der sich, da er aus dem Komitat Vas stammte, natürlich gleich neben László Gyerőffy niederließ, ganz im Bilde über dessen vornehme Verwandtschaft in Ungarn. Abády erblickte erfreut László, den lieben Verwandten und Schulkameraden. »Unter Larven die einzig fühlende Brust«, zitierte er Schiller in Gedanken. Er war bei der Gruppe noch nicht angelangt, als Péter Kis, der Obergespan, ihn erkannte, aufsprang und ihm entgegeneilte, um ihn demonstrativ als seinen Mann zu begrüßen.
    »Wer ist der Hausherr?«, fragte Bálint, der nur Frau Laczók kannte. Er hatte sie hin und wieder bei den Milóths getroffen, war aber nie ihrem Mann begegnet.
    »Gleich will ich dich vorstellen, lieber Freund!«, antwortete Péter Kis und ergriff auf der Stelle Besitz von dem jungen Mann, indem er ihn leicht umarmte und mit sich zog. Um zu Jenő Laczók zu gelangen, der am Fuße des stattlichen Baumes auf einer breiten Tannenholzbank saß, musste man sich unter dem Zelt des dicht herunterhängenden Laubs ein wenig bücken. Laczók war ein dicklicher, schwerer, ganz kahlköpfiger Mann. Nur über seiner Stirn war eine Locke geblieben, eine braune Insel im gelben Meer des porzellanglatten Schädels. Zwei tiefe Furchen zeichneten sich hinten am Hals ab, drei unter dem Kinn. Schwarz in seinem breiten, blassen Gesicht waren nur der hängende Schnurrbart und die zwei Brauen, die hoch über den fettig zugewachsenen, schrägen Augenhöhlen quer auseinander ragten, als wunderten sie sich stets ein wenig. Er lehnte sich weder gegen den Baum noch an den Rücken der Bank, sondern saß steif und gerade wie ein Götze, weil der Oberkörper allein durch die eigene Schwere in bestem Gleichgewicht gehalten wurde. Eines seiner kurzen Beine berührte den Boden, das andere hatte er hochgezogen. Die Hände ruhten breit auf den Knien. Bei seinem Anblick fielen Bálint die aus Speckstein gemeißelten kleinen chinesischen Statuen ein, die man in orientalischen Basaren feilbot. Der Schlossherr von Vársiklód glich denen aufs Haar, ein Székler Hunnen-Rest, überraschend erneut hervorgebracht nach den Mendelschen Gesetzen.
    »Erlaube mir, dir den Grafen Bálint Abády vorzustellen, meinen neuesten lieben Abgeordneten«, sagte Péter Kis, und jetzt, da er ihn losließ, drückte er die Schulter des jungen Mannes stärker, als wollte er damit ihr Verhältnis endgültig besiegeln.
    »Willkommen! Willkommen, Vetter!«, grüßte Laczók und reichte Bálint seine kurze, dicke Hand, rührte sich aber ansonsten nicht, da es ihm schwerfiel, sich zu erheben

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