Die Schrift in Flammen
weilte. Sie konnte kaum erwarten, die Leute loszuwerden. Jene, die ihr die Aufwartung machten, sollten sich endlich verabschieden, und die Gäste des Hauses sich zurückziehen, um die Kleider zu wechseln.
Trotzdem saß sie liebenswürdig lächelnd auf dem Kanapee. Sie wandte ihr hübsches, ein wenig schon volles, dickliches Gesicht abwechselnd nach rechts und nach links und wiederholte gutmütig: »Ach ja, meine Beste! … Ach, ist das gut gesagt! … Wirklich, wie interessant!« Unterdessen überlegte sie, ob man den Champagner wohl rechtzeitig eingekühlt habe, ob das Obers nicht etwa geronnen und die Eisgrube zugedeckt worden sei. Und ob das Rindfleisch, das man für das Kesselgulasch der Gastkutscher hatte kommen lassen, ausreichen werde. Ob Alice, ihre Altjungfer-Schwägerin, auf dies alles wohl ein Auge habe. Sie hatte Alice, obwohl sie die Schwägerin für launisch hielt, mit den Aufgaben betraut. Etwas anderes ließ sich bis zur Rückkehr der Mädchen nicht tun, und sie blieb sehr besorgt.
Ein Glück, dass Tante Lizinka das große Wort führte. Piepsend erging sie sich über den neuesten Klatsch, und die Damen hörten ihr alle zu. Mit ihr diskutierte man nie. Die Mütter taten es nicht, weil sie ihre böse Zunge fürchteten, und die zur Aufwartung erschienenen Frauen ebenso wenig, weil sie Tante Lizinka, so klein und uralt sie auch war, für eine im Landkreis Marostorda höchst machtvolle Frau hielten. Sie hatte ja zwei Jahre zuvor gegen den Willen des ganzen Komitats die Wahl des ersten Bauernabgeordneten, des berühmten Onkel Makkai, durchgesetzt, und dies darum, weil sie zürnte: In ihrem Wahlkreis war ein Kandidat nominiert worden, der ihr nicht passte. Ein Gerücht besagte, dass die alte Frau Sarmasághy dem »bestrumpften« Székler gar die Programmrede Wort für Wort diktiert habe.
Der neueste Klatsch Tante Lizinkas handelte von Miklós Absolon, ihrem ständigen Gegner, der in den beiden oberen Bezirken als ein mächtiger Mann galt. Obwohl er sich von seinem Gut kaum wegrührte, fiel im Komitat sogar sein im Hintergrund gesprochenes Wort schwer ins Gewicht. Dieser Absolon lebte schon seit Jahren mit seiner Haushälterin zusammen. Dies war die Schrecklichkeit, welche Tante Lizinka mit ihrem Mundwerk abzuhandeln pflegte, und auch diesmal sagte sie hässliches Zeug, berichtete ausgiebig Böses über den »alten Esel« und die »schlimme Person«, die, wie Lizinka versicherte, einst als Dienerin eine Dirne war, während sie jetzt ihren Brotherrn mit jedermann betrügte – »ich weiß das ganz sicher« – »ich weiß das, meine Liebe, denn es ist so!«
So ging es im oberen Stockwerk zu, während sich Abády unten kurz saubermachte. Als er in die Vorhalle hinaustrat, begegnete er wieder Kádár, dem alten Diener, der auf einem großen Tablett Besteck vor sich hertrug. »Wo kann ich die Gräfin finden?«, fragte er ihn.
»Geruhen das jetzt bleiben zu lassen«, erwiderte der Alte beinahe zornig, »die hat jetzt anderes zu tun. Gehen Euer Gnaden in den Garten, dort sind die Herren!« Und er wartete nichts weiter ab, sondern schritt unter lautem Schnaufen weiter.
Bálint machte sich also auf den Weg hinaus ins Freie. Ein riesiger Lindenbaum breitete, etwa hundert Meter vom kupferbedeckten mittleren Erker entfernt, seine Zweige aus, er stand am Rand der einstigen Burgschanze, und darunter hatte sich eine große Gesellschaft versammelt. Die Herren saßen in der Runde. Es waren nicht nur jene, die vom Pferderennen hergekommen waren, sondern auch andere aus Vásárhelyoder der Nachbarschaft, die sich eingestellt hatten, um der Hausherrin ihren Glückwunsch zu überbringen. Ein Tisch mit einem alten Mühlstein als Platte stand vor dem Baum, darauf große Karaffen mit Wein, Mineralwasserflaschen, unzählige Gläser.
Unmittelbar am Fuße des Baumstamms saß der Hausherr; die Besucher hatten sich in der Runde, rechts und links von ihm, auf Gartenbänken und Stühlen niedergelassen und dabei den Platz unwillkürlich nach ihrem Parteistandort gewählt.
Rechts neben dem Hausherrn sah man Sándor Kendy, den Kajsza, der zu der Zeit von Kálmán Tisza anderthalb Jahrzehnte lang Obergespan gewesen war. Neben ihm saß Péter Kis, der jetzige Obergespan, nach ihm folgte Soma Weissfeld, Bankdirektor und königlicher Rat. Jenő Laczók hatte ihm diesen Titel verschafft, denn sie führten schon seit zehn Jahren gemeinsam die Aktiengesellschaft, die sie zur Nutzung des ungeteilten Forstbesitzes der Familie Laczók
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