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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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zehn Jahren allein auf die Abwehr. Bálint Abády erkannte dies nach und nach und erwog, ob es für ihn nicht besser wäre, sich irgendwo anzuschließen, wo er zur Ausarbeitung eines künftigen Regierungsprogramms zumindest einen Beitrag leisten könnte; darin hätte er gern einige Punkte berücksichtigt gesehen, welche hauptsächlich die Wirtschaft Siebenbürgens betrafen: eine großangelegte genossenschaftliche Organisation, ein Heimstättengesetz gegen die Vermehrung der Zwerggüter, soweit noch möglich, eine Rückkehr zum Nationalitätengesetz, Suche nach Versöhnung und Vereinigung der gesellschaftlichen Kräfte …
    Vielleicht wäre man wohlberaten! Diesen letzten Gedanken hatte in ihm ein Artikel ausgelöst, der kurz zuvor in einer vornehmen englischen Zeitschrift, dem Contemporary Review , aus der Feder eines gewissen Draginescu erschienen war. In hasserfülltem Ton wurden darin harte Anklagen gegen die Ungarn erhoben. Ob es wohl einen Zusammenhang gab zwischen dem Artikel und der Tatsache, dass die Rumänen in Aktion getreten waren? Gewiss, die Rede Mihalis war sehr gemäßigt ausgefallen, gewiss, er hatte gesagt, dass auch sie zur ungarischen politischen Nation gehörten, aber trotzdem … bestand nicht eine Verbindung zwischen den zwei Symptomen? Dies ging Bálint durch den Kopf, als er sich zum Park-Klub kutschieren ließ.
    Er kam ziemlich spät an. Die Direktoren des Klubs und László Gyerőffy, der beim Ball als Vertreter der veranstaltenden Herrschaften und somit selber als Hausherr galt, hatten sich schon in der Vorhalle bei der Tür aufgestellt; zwei Paradediener mit brennenden Handkandelabern standen hinter ihnen. Ein Telefonanruf hatte nämlich angekündigt, dass sich die Hoheiten in der Burg auf den Weg gemacht hätten. Sie sollten zwischen brennenden Kerzen die Treppe hinaufbegleitet werden, wie das die Etikette befahl.
    Bálint entsann sich bei Lászlós Anblick der Gerüchte, laut denen Gyerőffy unmäßig Karten spielte. Unter dem Eindruck des Vernommenen hatte er beschlossen, ihm ins Gewissen zu reden. Ernsthaft. Streng, wenn es sein sollte. Man musste ihn vor dieser furchtbaren Gefahr retten. Er glaubte daran, dass er imstande sein würde, den Cousin unter Berufung auf ihre alte Freundschaft zur Aufgabe des Kartenspiels zu bewegen. Bisher war es ihm nie gelungen, ihn zu stellen. László war ständig unterwegs, immer in Eile. Jetzt, da er ihn hier erblickte, ging er gleich auf ihn zu. Nach einigen begrüßenden Worten kam er zur Sache.
    »Ich habe eine ernste und dringende Angelegenheit mit dir zu besprechen«, sagte er. »Wann könnte ich dich etwas länger sehen?«
    »Oh, jederzeit«, antwortete László.
    »Jederzeit heißt niemals«, lachte Bálint. »Bist du morgen gegen Mittag im Casino?«
    »Freilich. Ich esse dort …«
    »In diesem Fall erwarte ich dich um zwei Uhr im Casino, und wir werden uns verziehen.«
    »Freilich, freilich!«, antwortete Gyerőffy. »Freilich, versteht sich.« Zerstreut beobachtete er dabei allerdings nur die Tür. Seine Miene schien düster und verschlossen; es war nicht mehr das sich rasch erhellende Gesicht mit dem kindlichen Blick, das ihm freudig entgegenstrahlte, so wie früher jedes Mal, wenn Bálint ihn getroffen hatte. Hier ist wohl etwas nicht in Ordnung, dachte Bálint, nachdem er sich von László getrennt hatte und die Treppen hinaufstieg.
    Er meinte, der andere sei vielleicht wegen seiner Schulden dermaßen von Sorgen bedrückt. Hierin irrte er. László hatte in letzter Zeit beim Spiel stets eher ein gutes Blatt. Er schuldete den Wucherern noch nicht allzu viel, und diese bedrängten ihn vorläufig nicht. Daskaum wahrnehmbare Fältchen auf seiner Stirn war keineswegs deshalb erschienen; ihm war hier vielmehr zufällig zu Ohren gekommen, dass man an diesem Tag bei den Kollonichs ein großes Diner gegeben hatte. Ihn, den bisher im Ruf eines angenehmen Unterhalters stehenden Verwandten, der bei solchen Anlässen immer dabei gewesen war, hatte man heute nicht eingeladen.
    Auch Péter und Niki, denen er auf dem Rennplatz begegnet war, hatten es vor ihm verheimlicht. Das bedeutete bereits so viel, dass er im Kampf stand. Im Kampf gegen seine Tante und ihre ganze Familie. Eine unendliche Bitterkeit stieg in ihm auf, und vergeblich suchte er sich mit dem Gedanken zu ermuntern, dass Klára zu ihm halten und sie zusammen siegen würden. Ein Stachel steckte selbst in dieser Hoffnung, denn das Pferd, auf das er mit einem abergläubischen Einfall, als

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