Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
üblichen Tänzer, sondern auch viele Schönheiten mit ihren Gatten, entfernte Verwandte und zahlreiche Vornehme aus der politischen Welt, Leute, die entweder selber einen Rennstall besaßen oder jemandem nahestanden, der Pferde hielt. Um der jungen Frauen willen erschienen, versteht sich, auch deren Anbeter, und auch ältere Herren fanden sich ein, die einen Hunderter unterschrieben hatten zugunsten des Herrenballs, den man an diesem Abend veranstaltete.
    Der Besuch war so zahlreich, dass sich sämtliche Säle des Park-Klubs bis zum Bersten füllten. Auch das Erzherzog-Paar erschien, zusammen mit zwei Erzherzoginnen und zwei königlichen Prinzen aus Deutschland. Man hatte deshalb auf den Einladungen vermerkt: »Das Großkreuz-Band ist zu tragen.« So kamen also alle mit ihren Ehrenzeichen, die Offiziere in Paradeuniform, die Damen mit Diademen – wie bei einem Fest am Hof. Der geräumige, ovale Tanzsaal des Park-Klubs bot denn auch ganz dieses Bild.
    Auch Bálint hatte sich eingestellt. Seit er als Mitglied des Abgeordnetenhauses in Budapest weilte, hatte er nur an einigen offiziellen Essen teilgenommen; seine Abende verbrachte er sonst beim politischen Meinungsaustausch im Casino oder aber als unverheirateter Mann bei Zechereien mit Zigeunermusikern und Halbweltdamen. Er versuchte an der Diskussion und den Gelagen Gefallen zu finden. Doch in Tat und Wahrheit langweilte ihn das Lumpen mit den Zigeunern, die Kokotten interessierten ihn nur beiläufig, und auch die politischen Debatten fesselten ihn wenig, denn er fand, dass sich dabei alles im Kreis und um die gleichen Slogans drehte und dass nirgends ein fassbarer Plan zum Vorschein kam, nirgends ein Programm, das einen Ausweg gewiesen hätte. Der Fehler lag gewiss bei ihm, denn er war lustlos und innerlich rastlos. Als ob ihn all dies nicht mehr so richtig interessieren würde, wie wenn er das, was ihn wirklich in Bann schlug, in Siebenbürgen zurückgelassen hätte. Er begann auch seine Rolle als Parteiloser in Zweifel zu ziehen, den Vorsatz, sich mit niemandem zu identifizieren, sondern sich über alles eine eigene Meinung zu bilden. Ihm ging durch den Kopf, dass es besser wäre, irgendwo hinzugehören, statt in der gleichmütigen Sachlichkeit zu verharren, auf die er in den ersten Monaten seiner Abgeordnetenzeit so viel gehalten hatte. Besser, sich einen Anführer zu wählen und ihm über Stock und Stein zu folgen, statt sich ständig das Hirn zu zermartern und in jedem Kreis fremd zu sein. Die Sonderstellung, dies wurde ihm in diesen Tagen immer klarer, war für einen Anfänger sinn- und nutzlos. Gleichgültig, zu welcher Farbe sich die Deputierten bekannten, mit denen er zu diskutieren versuchte, sie stellten ihm doch stets nur die offiziellen Verlautbarungen ihrer Partei entgegen, die in ihrer Zeitung schon hundertmal abgedruckte Argumentation, und wenn sie irgendeinen Zwischenfall besprechen wollten, mochte er noch so unbedeutender und nebensächlicher Art sein, dann zogen sie sich von ihm zurück, wohl darauf bedacht, dass er kein Wort vernehmen sollte. Offensichtlich, dass ihn jede Seite für einen Spion hielt, ob es sich um die Leute von Tisza, Apponyi oder Andrássy handelte, alle meinten, sie müssten sich vor ihm, dem Spion, hüten. Dass dem so war, verstand sich von selbst, denn wer nach Billigkeit strebt und auch den Standpunkt der Gegenseite zu verstehen sucht, gilt als ein im politischen Kampf unbrauchbarer Mann; allein die Tatsache schon, dass er auch die Berechtigung der Gegenargumente erwägt, macht ihn verdächtig. Das »Audiatur et altera pars« ist kein politischer Wahlspruch. Jedermann soll an die ausschließliche Wahrheit seiner Partei glauben und den Standpunkt der Gegenseite ganz und gar falsch finden. Dies ist ein parlamentarisches Prinzip, das sich manchmal – selten – zeitweilig aufheben lässt, aber die Grundlage jeder öffentlichen Tätigkeit bildet.
    So verhält es sich überall, und so wird es immer sein. Im damaligen Ungarn aber wirkte sich dieses Prinzip womöglich noch stärker aus, weil die nach 1867 aufgewachsene Generation infolge des Dualismus und der langen Friedensperiode alles, was sich nicht innerhalb des Landes abspielte, immer mehr aus den Augen verlor, und weil die Opposition für immer die Opposition blieb und somit niemals Gelegenheit bekam, Regierungserfahrung zu sammeln. Die Regierungspartei dieser Zeit konnte aber in ihren Gegnern einzig Feinde erkennen, und ihre Aufmerksamkeit beschränkte sich seit bald

Weitere Kostenlose Bücher