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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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wollte er das Schicksal ergründen, die zehn Kronen des Mädchens gesetzt hatte, war weit abgeschlagen ins Ziel gelangt. Ein böses Omen!

    Unzählige Leute warteten oben auf der geräumigen Terrasse der Haupttreppe. Sie schielten nicht so sehr nach unten, wo die Hoheiten ankommen sollten, sondern beobachteten aus mehr oder minder großer Entfernung Burián, den damaligen gemeinsamen Finanzminister. Er war an diesem Tag aus Wien gekommen, um im Namen des Königs mit der Koalition zu verhandeln; manche raunten, dies sei der letzte Versuch des Herrschers, eine Versöhnung herbeizuführen. Man musterte Burián vergeblich. Auch jene, die sich mit ihm unterhielten, erfuhren nichts, denn weder die Miene noch die hinter einem Zwicker kurzsichtig blinzelnden Augen dieses verschlossenen und wortkargen Mannes verrieten etwas. So einsilbig und leise im Gespräch der »Homo regius« sich gab, so laut benahm sich der alte General Géza Fejérváry, der, von zahlreichen hübschen Frauen belagert, etwas weiter der Mitte zu stand. Fejérvárys Präsenz allein war schon auffallend, obwohl er selber behauptete, er sei wegen seiner Enkel zum heutigen Ball gekommen. Lautstark und in glänzender Laune scherzte er mit den vielen Schönheiten. Seine Riesengestalt überragte sie turmhoch, wie er mit der beachtlichen Adlernase, dem auf Husarenart getragenen, ergrauten Schnurrbart dastand; die unzähligen, an einer goldenen Schnur hängenden Dekorationen klirrten an seiner breiten Brust, wenn er, wie das Fechter zu tun pflegen, den Körper hin und her warf; abgesondert zuäußerst an seinem Rock steckte das weiße Maria-Theresia-Kleinkreuz, das er sich noch als Rittmeister bei Custozza erworben hatte. Die Frauen neckten ihn; sie empfanden diesen alten Soldaten immer noch als einen ganzen Mann, und so flirteten sie mit den Augen und ermunterten ihn, ihnen doch etwas von Buriáns Mission zu verraten.
    Bálint trat näher an diese Gruppe heran, dies umso mehr, als das Gerücht bereits umging, der König habe vielleicht diesen alten General zu einer Rolle ausersehen. Er vermochte nur Satzfetzen zu erhaschen, sie reichten aber aus, damit er verstand. Eine der schönen Frauen attackierte Fejérváry besonders hart. Sie setzte ihm auseinander, dass der König nachgeben solle, ja müsse, einen anderen Weg gebe es nicht und könne es nicht geben. Staatsrechtliche Argumente sonder Zahl formten sich zwischen ihren Blumenlippen, entströmten ihrem Mund. »Hier gibt es keinen anderen Ausweg! Der König wird sich beugen«, schloss sie ihre Rede. Der alte Fejérváry lachte hell auf. »Wirklich? Tatsächlich? Nun, da wird es im Gegenteil ganz anders kommen! Oh, ganz anders! Hahaha! Ganz anders, Sie könnten es sich gar nicht denken!« Und er streckte die gewaltige Brust noch mehr heraus, während er den langen, grauen Schnurrbart zwirbelte. Triumphale Genugtuung erfüllte ihn, er war voller Kampfbereitschaft und Entschlossenheit; so musste er in der Jugend gewesen sein, wenn er seiner Reiterschwadron den Angriffsbefehl gab. Und dazu lachte er nun laut, mit dröhnender Stimme, er lachte schallend, höhnisch und siegesgewiss.
    Das Herz Bálints verkrampfte sich beim Lachen des alten Generals. Das Gefühl überkam ihn, dass man dabei war, etwas ganz Neuartiges vorzubereiten, eine unerwartete, gewaltsame Lösung. Was es sein sollte, das konnte er sich nicht vorstellen, aber Fejérvárys ganzes Wesen sprach hierfür, machte es beinahe zur Gewissheit. Ob sich die halb versteckten Anspielungen in Slawatas letztem Brief wohl hierauf bezogen hatten? Es hieß bei ihm, etwas ganz anderes bereite sich vor, als was die ungarischen Herren erwarteten. Was konnte es sein? Neuwahlen unter militärischer Einmischung? Oder ein absolutistischer Versuch, bei dem man die uralte Verfassung, die Franz Joseph beschworen hatte, über den Haufen warf? Beides schien unwahrscheinlich, er hielt es sogar für unmöglich. Und doch vermochte er sich vom Eindruck, den das Gelächter des alten Kriegsmanns auf ihn gemacht hatte, nicht zu befreien.
    Den politischen Themen entkam er auch hernach nicht. Zum Kotillon und zum Nachtessen bat er Frau Berédy als Partnerin. Mit ihr zusammen nahm er an einem der Tische der jungen Frauen Platz. Auch dort besprach man politische Fragen. Überraschend, wie leidenschaftlich die Frauen diskutierten. Alle bekannten sich natürlich zur Opposition, zum Andrássy- oder zum Apponyi-Lager, je nach schwägerlicher, verwandtschaftlicher oder nachbarlicher

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