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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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seinen Kontrollgang durch das Haus; er näherte sich ihnen.
    »Was ist los? Was treibt ihr da?«, fragte er scheltend.
    Der Livrierte, bestrebt, die Regelübertretung zu vertuschen – er hatte seinen Posten unten auf der Treppe verlassen –, holte wortreich zu Erklärungen aus: »Man hat für die Ilus Varga einen Brief gebracht. Ein Dienstmann hat ihn gebracht! Darum also … weil halt ein Dienstmann …«
    »Wo ist er? Gib ihn her!« Szabó übernahm den Umschlag, und nachdem er die Handschrift geprüft hatte, ließ er ihn in der inneren Tasche seines Fracks versinken. »Ich werde es erledigen!«, sagte er und wandte sich um.
    Alles fügte sich im gleichen Augenblick, die Ordnung war wiederhergestellt. Der Hausdiener fuhr fort, das Messing zu putzen, der Lakai nahm in der Vorhalle seinen gewohnten Platz ein, um dort zu gähnen, und der Portier stellte sich mit gespreizten Beinen draußen vor das Tor, von wo er die Autorität des Palais weiter, die Straße entlang ausstrahlte.
    Szabó ging mit seinen langsamen Feldherrenschritten durch den Hof nach hinten. Er setzte seinen Rundgang fort.

    Fürstin Ágnes war gerade dabei, durch ihr Schlafzimmer zum Umkleideraum zu gehen, um ihre Nachmittagstoilette anzuziehen, als Fräulein Schultze, die deutsche Vorsteherin der Dienstmädchen, vor sie trat.
    »Kammerdiener Szabó würde jetzt um ein paar Minuten Gehör bitten.«
    »Jetzt?«, fragte die Fürstin, ob des ungewohnten Falls etwas verwundert; ihr Haushalt war automatisch so vollkommen, dass derartiges sozusagen nie vorkam.
    »Nun, er soll kommen«, sagte sie und setzte sich. Einen Bediensteten musste man sitzend empfangen.
    Die alte Jungfer, stämmig wie ein Grenadier, entfernte sich, und »Herr« Szabó trat ein. Er blieb neben der Tür stehen.
    Es war eine echte Kunst, wie dieser Mann zu stehen verstand. Seine turmartige Reglosigkeit enthielt alles. Selbstbewusstsein, das er vor jedem anderen zur Schau trug, und die ganze Vornehmheit des fürstlichen Hauses: unermessliche Verehrung gegenüber der hochrangigen Familie und vorab der Herrin, aber nur ihnen gegenüber. Gleichermaßen Besonnenheit und nötige Strenge sowie die Vermeidung jedes überflüssigen Worts. Und Redlichkeit. Unendliche Redlichkeit. Redlichkeit vom Scheitel bis zur Sohle. Sein Gesicht, aus Stein gemeißelt, mit schönen Zügen wie der Kopf eines römischen Imperators, doch kein dicker Nero, sondern Titus oder Tiberius. Gut gewaschen, gut rasiert. Bei seiner stattlichen Gestalt, der antik geschnittenen Nase und der Haltung, die eines englischen Staatsmanns würdig schien, hätte niemand geglaubt, dass er einst irgendwo im Komitat Fehér ein ungarischer Bauernjunge gewesen war. Er stand mit geschlossenen Lippen, aber nicht steif, bloß in würdevoller Gelassenheit da und wartete darauf, angesprochen zu werden.
    »Was gibt es also, lieber Szabó?«, fragte Frau Kollonich, die nur den Butler, den Chefkoch, diese beiden Säulen des Hauses, sowie – da sie aus besserer Familie war – Fräulein Schultze bei ihrem Geschlechtsnamen zu nennen pflegte.
    »Gnädige Fürstin«, sprach der Mann mit dem Gesicht einer Statue, »ich bitte um Verzeihung, dass ich mir die Kühnheit nehme, aber ein Vorkommnis ist zu melden, das den guten Ruf des hochansehnlichen Hauses berührt.« Er fügte die Wörter sehr besonnen in gleichmäßiger Reihe aneinander.
    »Worum geht es?«, fragte die Fürstin überrascht.
    »Wir haben da eine kleine Zofe, irgendeine Ilona Varga, sie bedient Fürstin Klára. Sie … ich bitte um Verzeihung … sie … sollte nicht in diesem hochahnsehnlichen Hause sein.«
    »Wirklich? Jene Ilus?«
    »Ja. Ich habe lange gezögert, ob ich es der gnädigen Fürstin melden soll, doch nun bin ich wegen des guten Rufs des fürstlichen Hauses dazu gezwungen.«
    »Tatsächlich? Hat sie etwa mit jemandem eine Affäre?«
    Szabó schien darunter zu leiden, eine solche Unanständigkeit auch nur auszusprechen. Er sprach sie aber dennoch aus: »Sie ist in anderen Umständen.« Mit niedergeschlagenen Augen verbeugte er sich leicht. Dann fuhr er noch untertäniger fort: »Verzeihung, dass ich damit … aber ich dachte, es sei meine Pflicht, mir die Kühnheit zu nehmen und zu melden …«
    »Ja und … schon seit langem? Und mit wem?«
    Der Butler seufzte betrübt und machte mit der Hand eine unsichere Bewegung: »Ach, ach. Seit geraumer Zeit ist sie irgendwie verdächtig. Aber was kann man schon wissen? Heute jedoch hat ihr ein Dienstmann einen Brief gebracht. Auch

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