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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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noch auf der äußeren Westseite eine neogotische Veranda an die alten Mauern, um von dort die Aussicht genießen zu können, die tatsächlich herrlich ist, denn man sieht über das Keresztes-Feld hinweg bis zur Tordaer Schlucht und weiter dahinter in der Ferne bis zu den Schneebergen von Jára.
    Ja, vielleicht ist es schade darum, dass Dénestornya nicht unberührt im ursprünglichen Zustand erhalten geblieben ist, denn es könnte als großes Vorzeigeobjekt zur Belehrung dienen: Wie baute man im 15. und 16. Jahrhundert Burgen; Lehrer dürften erklären, von welcher Stelle man Pfeile abschoss, von wo man die Belagerer mit siedendem Pech übergoss oder mit sengender Glutasche bewarf; und sie würden auseinandersetzen, unter welchen Einflüssen die Burg entstand, ob und in welchen Perioden das deutsche, das französische oder italienische System des Festungsbaus befolgt wurde. Jene wiederum, die auf der Suche nach Merkwürdigem durch die Säle schlenderten, bekämen Gelegenheit, sich zu entsetzen, wie kalt es da drinnen einst gewesen sein muss und ach wie dunkel auch wegen der engen Schießscharten. Die Abádys jedoch wollten hier wohnen, und sie wohnten da auch ständig. Sie hegten nicht die Absicht, ihr Heim zum kulturhistorischen Lehrstoff werden zu lassen, sondern formten es von Zeit zu Zeit nach den Erfordernissen ihrer Epoche um, sie schmückten und machten es wohnlicher – soweit sich das mit einerso alten Burg eben machen ließ; am Ende der Fürstenzeit ließen sie die Fenster verbreitern sowie mehrere innere Treppen anlegen, und als die Türkengefahr vorbei war, ersetzten Blumen die Wehrmauern. Der Bau entwickelte und veränderte sich, er wandelte sich auf solche Weise fortwährend, und vielleicht kommt es daher, dass das alte Festungsschloss, betrachtet man es aus dem Tal des Aranyos oder von weiter entfernten Hügeln, mit seinen langen Fassaden, den Kuppeltürmen, den gestreckten Nebenflügeln und mit all dem, was beieinander am Ende eines Hangs steht, so wirkt, als wäre es ein dort aus dem Boden gewachsener Bestandteil der Landschaft und kein von Menschenhand geschaffenes, künstliches Gebilde. Waldartige Parkanlagen rundherum, sowohl hinten auf einer Hochebene als auch vorne und weiter unten, Haine mit zahllosen Baumriesen, in deren Mitte das Schloss, teils verdeckt, im weichen Laubkissen versunken sitzt, es sitzt bequem, es ist zu Hause. So, als ob es schon immer da gewesen und etwas anderes gar nicht möglich wäre.

    Bálint Abády schaffte es erst jetzt, in den ersten Junitagen, nach Dénestornya heimzukehren. Die Zeit zuvor seit der Rückkehr von Budapest hatte er in Klausenburg verbringen müssen; dort hielt sich zu der Zeit kein Bekannter mehr auf, er wurde indessen durch zahlreiche Geschäfte in Anspruch genommen; er führte mehrere Besprechungen, so mit der Mutter, mit Ázbej und einem Forstingenieur, mit dem er sich einigen musste, bevor sich dieser in das Hochgebirgsgut hinaufbegab. Die Festlegung des Betriebsplans an Ort und Stelle stand zur Diskussion. Dies aber ließ sich nicht leicht bewerkstelligen. Bei Gräfin Róza wurde Bálint zwar von Ázbej kräftig unterstützt, er legte sich gewaltig ins Zeug, und dies tatsächlich, nicht nur zum Schein, denn ihm lag daran, die Aufmerksamkeit und die Arbeitslust des jungen Herrn durch das Gebirgsgut zu binden, damit es Bálint nicht etwa einfiel, auch in andere Dinge Einblick zu nehmen. Nyiressy, der bejahrte Forstverwalter, verlegte sich indes auf den passiven Widerstand. Er war nach Klausenburg bestellt worden, damit Bálint, der Forstingenieur und er zu dritt die Einzelheiten und die Reihenfolge der Arbeiten abhandelten und festlegten. Das hätte sich an einem Vormittag erledigen lassen. Er kam aber nicht. Die erste Aufforderung beantwortete er, indem er wissen ließ, er sei schon ein alter Mann. Auf die zweite, strengere Anordnung hieß es, sein Rheuma plage ihn wieder, er könne nicht einen Schritt gehen. Man konnte mit ihm folglich nur mithilfe eines Boten Kontakt halten, und der brauchte für den Weg nach dem Béles und zurück immer zwei volle Tage. Bálint versäumte deshalb etwa zehn Tage in der Stadt, bis er den Ingenieur endlich ins Gebirge losschicken konnte, erst dann war es ihm möglich, seiner Mutter zu folgen, die schon einige Tage zuvor aufs Land gezogen war.
    An einem dunklen, regnerischen Abend kam er an. Am nächsten Tag indessen begrüßte ihn ein herrlicher Morgen.
    Er war bei Sonnenaufgang erwacht. Waagrechte Strahlen

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