Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
seinen Jalousien. Er schlief lange. Es mochte schon zehn Uhr sein, als er mit seiner Toilette fertig wurde. Er frühstückte allein auf der von Wildtrauben umrankten Veranda. Niemand gesellte sich zu ihm, niemand drängte. Wie anders war jetzt hier alles als beim letzten Mal. Er bereute, den Abstecher überhaupt gemacht zu haben.
    Schließlich kehrte der alte Zakata von den Feldern heim. Er galt als überaus eifriger Landwirt. Jeden Tag durchstreifte er sein Gut von Morgendämmerung bis Mittag. Er besuchte jeden Winkel und schuf, wie er sagte, Ordnung, was namentlich darin bestand, dass er jeden, den er traf, tüchtig abkanzelte. Nun gelangte er sehr durchschwitzt nach Hause – seine selbstgewebte Leinenjacke war am Rücken ganz nass –, doch er überließ sich in heiterer Laune der Freude, die ihm die wohlverrichtete Arbeit bereitete. Begeistert schüttelte er Bálint die Hand. »Wie geht es, mein Vögelein? Haben diese Rindviecher dir ein Frühstück serviert? Ja, hast du keinen Speck gegessen? War der Speck etwa ranzig, den man dir vorgesetzt hat? János, wo steckst du? …« Bálint indessen beruhigte ihn, alles sei vorzüglich gewesen. Und er bat ihn, mit ihm zusammen die Stuten und die Fohlen zu besichtigen, er wolle sein Gestüt sehen.
    Milóth führte ihn freudig. Es waren schöne, kräftige Pferde, alles gelbe, breitknochige, harte Tiere, eine alte Siebenbürger Rasse mit edlen Zügen, denn Ferenc Milóth, Zakatas Vater, hatte als einer der Ersten einen englischen Zuchthengst ins Land geholt. Das Pferd hatte »Jason« geheißen. Sein Bild hing jetzt im Salon.
    Nach der Rückkehr vom Gestüt betraten sie den Stall. Zakata führte alles mit Leidenschaft vor. Der Stall wirkte unaufgeräumt, die Pferde waren schön, obwohl ziemlich ungepflegt, doch er nahm dergleichen nicht wahr. Bei ihm befand sich alles stets in Unordnung, dies vielleicht darum, weil er mit oder ohne Grund jeden beschimpfte. Auf dem Weg zurück ins Haus trafen sie die Mädchen. Margit lächelte wie gewöhnlich, während Judith sich verschlossen und frostig zeigte. Sie gingen weiter. Als Bálint zurückschaute, sah er, dass die beiden Mädchen abbogen und in den Stall gingen.

    Nach dem Mittagessen trat er den Heimweg an. Abermals ging es den Berg hinauf, den Kamm entlang, doch nun gegen Süden, und dann nach der Kuppe hinaus auf die Landstraße. Trübes Wetter herrschte. Vielleicht war dies der Grund für Abádys schlechte Laune.
    Als sie unten in Marosludas ankamen und im Schritt nebeneinander ritten, meldete sich der Pferdebursche: »Wenn Sie erlauben würden, möchte ich bei der Post absteigen.«
    »Warum?«, fragte Bálint.
    »Eine der Comtessen hat mir einen Brief anvertraut, ich solle ihn beim ersten Postamt aufgeben …« Und er zog den gefüllten Umschlag aus der Tasche, den Judith tags zuvor Bálint hatte überreichen wollen.
    »Wir bleiben jetzt nicht stehen«, antwortete Abády, »gib ihn her, ich werde ihn in Marosszilvás selber aufgeben.«
    Er übernahm vom Burschen den Brief und steckte ihn in die Tasche. Eine Frechheit, dachte Bálint zornig, dass dieses Mädchen meinen Bediensteten dazu benutzen will, ihr Schreiben hinauszuschmuggeln. Nun, just nicht, nein! Am Ende würden sie glauben, wenn die Geschichte an den Tag käme, ich sei ein Mitwisser gewesen.
    Er fiel in raschen Trab. Das schnelle Tempo ließ sich aber nur bis zur Steigung durchhalten. Die nächste steile Strecke musste man im Schritt bewältigen. Auch seine Erregung hatte sich wieder gelegt; nun war er zu sich gekommen. Warum habe ich diesen Brief an mich genommen? Warum mische ich mich in die Angelegenheiten anderer Leute? Was soll ich nun damit? Ihn verbrennen? Dazu habe ich kein Recht. Ihn Judith Milóth zurückschicken? Er gerät sicher in die Hand ihrer Mutter, und ich bringe das arme Mädchen in Kalamitäten. Soll ich ihn selber im Postamt aufgeben, als wüsste ich von nichts? Nein, unmöglich. Damit würde ich ja diesem Dreckskerl noch helfen … So zermarterte er sich lange das Hirn. Und da durchfuhr ihn plötzlich der Gedanke: den Brief Adrienne übergeben! Ihr stünde es dann frei, ihn ihrer Schwester zurückzuschicken oder sie zu benachrichtigen, der Brief sei bei ihr. Ja, das war die beste, die einzige Lösung! Und er musste den Umschlag persönlich übergeben, ihr erklären, wie er in dessen Besitz gelangt war. Adrienne schreiben? Oh, das wäre viel zu langwierig. Jawohl, es ließ sich nur mündlich erklären. Er musste gleich nach Almáskő, um

Weitere Kostenlose Bücher