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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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unmittelbar, aber trotzdem. Ich hatte Dinge erzählt, die das Mädchen jetzt schreibt. ›Ich werde Sie retten … Das ist die einzige Berufung, alles zu opfern, um jemanden zu retten …‹ Als hörte ich mich selber. Früher, da ich noch nicht gewusst hatte … damals sagte ich solches Zeug … ›So schuldig Sie in den Augen der Menschen sein mögen, mich kümmert es nicht, solange Sie mir gegenüber wahrhaft und aufrichtig sind …‹ Auch das war meine Theorie, ich habe sie in meiner Mädchenzeit verkündet, es schien mir so schön. Und Judith schöpft nur daraus.«
    Sie grübelte und fuhr dann fort: »Und sie übertreibt. ›Selbst wenn Sie gestrauchelt sind … Wenn Sie sich selbst etwas vorwerfen …‹ Fortwährend schreibt sie solche Sätze. Ich verstehe es auch nicht ganz. Ist diesem Wickwitz irgendeine besondere Verfehlung vorzuhalten?«
    »Vielleicht ja«, murmelte Bálint zwischen den Zähnen.
    »Weißt du etwas darüber?«
    Abády zögerte. Aber er musste antworten: »Ja. Nur kann ich darüber leider nichts sagen. Man hat es mir vertraulich erzählt. Ich darf es nicht weitergeben.«
    »Nicht einmal mir?«
    Der Widerstand fiel ihm schwer. Dennoch blieb er bei seiner Weigerung: »Nein, nicht einmal dir.«
    Die Neugier weckte in Adrienne unwillkürlich das Weib. Sie kroch zu Bálint und nahm schmeichlerisch seine Hand: »Ach, sag zumindest etwas … erzähl es nicht ganz, aber doch um was für einen Fall es sich handelt … um eine Auseinandersetzung oder um eine Frau … von welcher Art es ist … nur das! So viel darfst du sagen!«
    »Es geht um Geld. Um eine sehr hässliche Geldgeschichte der schlimmsten Art. Aber frag mich nicht weiter.«
    »Ach, ich hatte es geahnt. Er kann so gemein lachen, dieser Mann …«

    Als sich die Gäste zur Mittagszeit im Großen Salon zum Essen versammelten, trat Uzdy mit einem Stoß von Zeitungen herein. Er schien sehr guter Laune; triumphierendes Licht leuchtete in seinen dünnen, schwarzen Augen.
    »Von Budapest sind interessante Nachrichten eingetroffen«, sagte er mit ausgesuchter Langsamkeit, »die neue Regierung ist gebildet. Nun denn! Erratet, ihr Politiker, wer der neue Ministerpräsident ist!«
    Die Gebrüder Alvinczy gingen ihm ins Garn und nannten versuchsweise die Namen Kossuth, Andrássy und Wlassits. Uzdy schüttelte den Kopf und lachte, um sich dann an Abády zu wenden: »Du allein geruhst, nichts zu sagen? Dabei bist du unter uns der einzige Richtige! Ich könnte nur bescheiden dem Herrenhaus angehören, doch du bist Abgeordneter! Ein echtes Mitglied der Legislative! Ein Gesetzgeber! Da ist der Punkt! Darf ich bitten! Wir wollen sehen, ob du es errätst. Bitte ergebenst!«
    Bálint blickte für die Dauer flüchtiger Sekunden starr in die Augen des lachenden Hausherrn. Dessen ganzes Wesen strahlte Schadenfreude aus. Die Nachricht war gewiss ungewöhnlich und unheilvoll. Was sie enthielt, musste unpopulär sein und sich gegen die öffentliche Meinung richten … Und nun meldete sich eine Erinnerung: der General in Paradeuniform damals auf dem Herrenball, auch dieser hatte so unheilverkündend gelacht. Und er fragte: »Géza Fejérváry?«
    »Bravo! Alle Ehre! Respekt! Alle Ehre!« 23 Uzdy verbeugte sich mit baumelnden Armen wiederholt, als wäre er in der Hüfte entzweigebrochen. »Das nenne ich Scharfblick, das will etwas heißen! Im Ernst, Respekt, allen Respekt!« Und da Adrienne in diesem Augenblick das Zimmer betrat, wandte er sich gleich auch ihr zu: »Ich habe deine Flirts einer Prüfung unterzogen. Die Palme hat unser Freund Abády errungen. Er ist nachgerade ein Genie!«
    Auch die alte Gräfin stellte sich ein. Uzdy dämpfte die Stimme in ihrer Gegenwart, und nun setzte die Konversation über die jüngsten politischen Ereignisse ein. Eine außerparlamentarische Regierung. So etwas hatte es seit 1848 nie mehr gegeben. Das bedeutete beinahe Absolutismus. Negierung der Volksvertretung. Man sprach beim Mittagessen viel darüber und meinte, diese Regierung sei eine völlige Unmöglichkeit, die allgemeine Empörung werde sie bestimmt hinwegfegen.
    Jetzt, da Bálint Adrienne mit ihrem Mann zusammen vor sich sah, vermochte er sich von der Erinnerung an die letzte Nacht nicht zu befreien. Umso weniger, als dem Benehmen Uzdys etwas ekelhaft Triumphierendes anhaftete. Er unterstrich sein Besitzrecht auf die Frau, bei Tisch hörte er nicht auf, sie am Arm zu betasten, und als man zuletzt das Esszimmer verließ, legte er ihr die Hand über die Schultern. Die

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