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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Oberleutnant als dessen Adjutant und oft als Bote fungierte, in den Pfingstferien nach Varjas geschickt. Der Junge brachte nur ein paar Zeilen als Antwort: »Ich bin verzweifelt. In den nächsten Tagen schreibe ich, jetzt war es nicht möglich. Warten Sie! Ich liebe Dich.« Nur so viel.
    Macht nichts. Er besaß ohnehin genug Briefe von Judith, er hatte sie in die innere Tasche seines Waffenrocks gesteckt und mitgebracht. Jetzt neben Frau Lázár in der offenen Kutsche besichtigte er wieder die reale Lage, woran er mit ihr war. Die Frau behandelte ihn lieb, ja sehr lieb. Doch irgendwie hielt sie ihr Verhältnis für allzu natürlich. Für eine selbstverständliche, einfache Angelegenheit. As ob sie ewig so fortdauern könnte. Das war ungünstig. Man musste ihr Angst einjagen, sie eifersüchtig machen. Ihr vor Augen führen, dass ihm auch andere Aussichten offenstünden. Ihr zeigen, dass es auch eine andere Frau gab, die sich nach ihm sehnte. Die seine Frau werden wollte. Man muss das Tempo verschärfen, sagte er sich in der Sportsprache. Judith wird der »Pacemaker« sein, wie man das Pferd nannte, das, selber ohne Siegeschancen, die Geschwindigkeit diktierte. Erfährt Frau Lázár, dass sie ihren Freund leicht verlieren könnte, dann lassen sich die Dinge mit einer Wende mühelos in die erwünschte Richtung lenken. Dann wird wohl sie selber ihre Heirat zur Sprache bringen, und das wäre besser, viel besser.
    Eines Tages hatte Wickwitz nach dem Mittagessen und nach dem schwarzen Kaffee, als sie in dem kühl verdunkelten Salon saßen, das Thema angeschnitten. »Ich möchte Sie in einer diskreten Angelegenheit um Rat fragen, liebe Sári«, sagte er mit Augen, die in Trauer schwammen, »obwohl ich über solche Dinge nicht reden sollte …«
    Die schöne Sára Donogán, die auf dem Kanapee bequem eine Zigarette rauchte, richtete zwischen schweren Wimpern ihren Blick auf ihn: »Worum geht es?«
    »Ich bin in Schwierigkeiten. Es gibt da ein Mädchen … das … das … ich kann nichts dafür! … in mich schrecklich verliebt ist. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich tun soll.«
    »Wer ist sie?«, fragte die Frau. Sie erkundigte sich zum Schein, denn sie war über die Geschichte von Baron Egon und dem Milóth-Mädchen schon seit langem sehr gut unterrichtet, was seine einfache Erklärung darin fand, dass Zoltánka, der die ihm anvertrauten Briefe oft las, sich mit seinen Kenntnissen vor ihrem Sohn brüstete, der Sohn aber ihr all die furchtbar interessanten Auskünfte über den Mann erzählte, von dem er nur so viel wusste, dass er ab und zu seine Mutter besuchte.
    Worauf er wohl hinauswill, fragte sich Frau Lázár.
    Wickwitz berichtete in abgebrochenen Sätzen. Auf seine Weise, versteht sich. Wie sehr ihm das Mädchen leid tue. So sehr, dass er sie womöglich heiraten werde. Aus Erbarmen. Einzig deshalb. Weil sie seinetwegen so unglücklich sei.
    Frau Sára zog eine der üppig wohlgeformten Schultern ein wenig hoch: »Man braucht nicht gleich zu heiraten, sie wird schon zur Ruhe kommen. Jedes Mädchen hat anfänglich einmal eine unglückliche Liebe. Zugrunde gegangen ist daran noch niemand.«
    Egon beharrte: »Das ist kein alltäglicher Fall, nein, es ist ganz außergewöhnlich. Schauen Sie, meine Liebe, ich habe ihre Briefe bei mir.« Er kramte in seiner Tasche und nahm die Schriftstücke heraus. »Ich trage sie immer bei mir«, log er zur Erklärung, »damit nicht etwa im Hotelzimmer … Sehen Sie sich den einen oder anderen an, dann werden Sie im Bild sein.«
    Die schöne Witwe nahm die Briefe. Sie machte sich ans Lesen. Jene, die sie beendet hatte, legte sie sich in den Schoß. Sie las lange und aufmerksam. Nachdem sie mit dem letzten fertig geworden war, drehte sie sich dem Mann zu: »Das arme Mädchen, es hat es wirklich sehr erwischt.«
    »Na, nicht wahr?«, sagte Wickwitz siegesgewiss, und jetzt plötzlich brach aus ihm jenes bellende Lachen hervor, das sein schönes, trauerndes Gesicht auf einen Schlag in eine hässliche, gemeine Maske verwandeln konnte. Die Frau beobachtete ihn ruhig. Sie prägte sich auch dieses Lachen ein. Dann sprach sie: »Ja. Vielleicht haben Sie recht. Am klügsten ist, Sie heiraten sie.«
    Eine niederschmetternde Antwort. Die List war also misslungen. Er starrte die Frau stumpfsinnig an und versuchte eine neue Masche: »Aber wo ich doch dich allein liebe?« Und mit rührend wehmütiger Miene griff er nach dem Arm der Frau.
    »Ach, mein Gott! Auch das ist nicht so wichtig!«, lachte sie

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