Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
einem Abhang, zu einer offeneren Stelle, wo das Wild zu weiden pflegte, dann hätte er noch vage hoffen können, eine Beute zu finden. Doch hier, in der tiefsten Wildnis, wo man keine zwanzig Schritte weit sah! Völlig absurd, dachte er. Trotzdem setzte er sich gehorsam hin, um den alten Bergler nicht zu kränken. Schukuzo hörte hinter dem Baum nicht auf zu murmeln, vielleicht waren es Gebete, vielleicht Zaubersprüche. So verging eine halbe Stunde. Dann vernahm man ein leises Rascheln, man hörte kleine Schritte in langsamem Takt und dazu einige andere, bestimmtere: Gerade vor ihm war plötzlich ein Reh, eine Ricke, zwischen einem Holunderstrauch und den Tannenreihen zum Vorschein gekommen. Sie kam behutsam, aber ruhig; zwei Kitze führte sie neben sich. Mit ihren wunderbar zahmen Augen musterte sie den Jäger, stampfte zweimal mit dem Vorderlauf, doch da sich der Mann nicht bewegte, fuhr sie vertrauensvoll fort zu weiden und zog dann mit ihren Jungen, von Bálint kaum einen Klafter entfernt, langsam ab und verschwand im Dickicht auf der anderen Seite.
    Schukuzo kam bestürzt hinter dem Baum hervor. Er war empört. »Warum haben Sie nicht geschossen, Mariasa? Es war ja da … da!« Abády legte dar, dass man nur Böcke schießen dürfe, Ricken niemals und erst recht nicht, wenn sie Kitze hätten. »A se, a se!«, wiederholte der Alte lange, und er nickte dazu fleißig. »A se«, und bei sich dachte er, dass solche Herrschaften viele seltsame Macken hätten. Doch das Fünfkronenstück, mit dem Bálint ihn entlohnte, versetzte ihn in gute Laune, und fröhlich führte er den Mariasa durch den jetzt fast stockdunklen Wald zurück.

    Abády blieb noch drei Tage auf dem Priszlop, obwohl sich die Voraussage von Mézes erfüllt und der Regen schon am ersten Abend eingesetzt hatte. Im Hochgebirge fällt auch der Regen anders. Die Wolken setzen sich in den Talsenken fest, ihr Bart hängt in Fetzen, die sich über den Bäumen hinschleppen, und wer einige Meter weiter aufsteigt, gerät bereits in Nebel. Aus diesem Nebel gießt es in Fäden, das Wasser dringt überall ein und durchtränkt alles dermaßen, dass sich selbst der wasserdichte Lodenmantel in einen Schwamm verwandelt. Da er sich jäh entschieden hatte, diesen Ausflug zu unternehmen, hatte er nur ein Jägerkleid und zwei Paar Bergschuhe mit, eines mit Eisenbeschlägen und ein anderes mit Gummisohlen. Die Schuhe waren natürlich schon am ersten Tag durchnässt, die ersten am Vor-, die zweiten am Nachmittag. Drinnen im Zelt, obwohl man es geschickt mit einem Graben umgeben hatte, war ebenso alles feucht. So musste er sich schon am zweiten Abend nackt ausziehen. Vielleicht würden seine Kleider beim nächtlichen Feuer und unter dem Halbdach, das die Forstleute aufgestellt hatten, bis zum Morgen doch trocknen; zum Nachtessen wickelte er sich in eine nasse Decke ein, die von seiner Körperwärme dampfte. Eine richtige Kneippkur, schmunzelte er bei sich, und er genoss diese Lebensweise. Sein bisheriges Leben hatte stets Kultur umgeben. Jetzt auf einmal spielte er den Wilden, was ihn überaus amüsierte. Er rasierte sich auch nicht mehr, um die Echtheit zu steigern. Auch jenes zweite, klügere Ich, das in ihm wohnte, gab freudig seine Zustimmung: »Geschieht dir recht, du Schwein, wenigstens heilt dich dies von all dem dämlichen Begehren.« Tagsüber war er stets auf den Füßen. Er suchte sich zu ermüden. Zusammen mit Mézes durchstreifte er das benachbarte Gebirge, er besichtigte die Arbeit des Ingenieurs. Nachdem sie dies hinter sich gebracht hatten, verlegte er das Lager in das obere Száká-Tal am Hang des Vlegyásza. Dort brachte er weitere drei Tage zu. Der Regen fiel noch immer.

III.
    Am letzten Abend im Hochgebirge wurde er beim Feuer von vier Fremden erwartet. Vier Männer von Pejkója. Auch sie gehörten zur Gemeinde Retyicel, doch ihre Häuser und Grundstücke lagen, eingekeilt in das nördlichste Grenzgebiet des Abády-Forstbesitzes, von der Dorfmitte wohl sechs bis sieben Kilometer entfernt. Diese Häusergruppe hieß Pejkója. Von dort waren die vier Männer gekommen. Sie wollten Abády sprechen.
    Denn die Nachricht hatte sich im Gebirge natürlich verbreitet: Der Mariasa habe das Haus des Domnul Direktors nicht betreten, obwohl sich der hohe Stuhlrichter und der allmächtige Notar dort aufgehalten hätten. Er sei nicht nur nicht hineingegangen, sondern habe ihre Vergnügung gestört, die Forstleute einfach weggeführt und sein Lager zu ihrer Beschämung

Weitere Kostenlose Bücher