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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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jene Feuer führte ihn zu Adrienne. Er brauchte auch nichts, um sich an sie zu erinnern. Ihr Bild hatte den ganzen Tag hindurch verborgen in ihm gelebt. Die großen Topasaugen, die ihn im stockdunklen Zimmer erschreckt, doch auch freudig anblickten, und ihr Körper, der sich durch die Falten der dünnen Daunendecke hindurch abzeichnete, der Körper, den er nicht anzublicken wagte und dennoch sah, und der Duft, ein berauschendes Getränk, Mandel oder Nelke, Frühling und Frauenhaut, wohlriechender, warmer Pelz, Honig oder Lindenblüte – keine Bezeichnung traf zu, kein Vergleich vermochte diesen Duft auszudrücken, bei dem er meinte, hinsinken zu müssen, doch nicht um zu flehen, sondern um sie niederzuwerfen mit den reißenden Krallen des Raubtiers, mit gespanntem Griff nach Beute. Der Speck war vom Spieß längst hinuntergefallen und in der Glut prasselnd zerflossen, während Bálint fortwährend vor sich hinblickte; mit vorgeschobenem Unterkiefer und geöffneten Lippen, die seine Zähne freigaben, starrte er ins Feuer.
    Leise, barfüßig trippelnde Schritte. Herr Nyiressys zwei kleine Bauernmädchen, in frischen, kurzärmeligen Blusen und mit schwarzen Stoffgürteln über dem weißen Rock, standen neben ihm. »Poftiti, Mariasa«, sagten sie und legten ihm allerlei gute Speisen vor: schöne, kalte Forellen, das Drittel eines Rehrückens, paniertes Huhn und Truthahnbraten, hausgemachten Strudel und Torte, die sie in zwei stattlichen Körben mitgebracht hatten; auch Teller und Besteck, Gläser und Wein gehörten dazu. Vor dem Zelt breiteten sie alles aus, und einmal lächelnd, einmal kichernd ermunterten sie den »Mariasa« zuzugreifen.
    Nicht zu leugnen, es mundete. Er setzte sich im Inneren des Zelts und stellte den Jägerstuhl als Tisch in die Eingangsöffnung; stark leuchtete hier noch der Vollmond. So aß Bálint sein Nachtmahl. Die Mädchen bedienten ihn eifrig. Auf einer Seite hoben sie die Plache auf, doch im Zelt war es immer noch recht eng. Vielleicht lag es auch daran, dass hier und da eine Mädchenhand sein Gesicht streifte oder – wenn die eine oder andere ihm Wein einschenkte – eine gewölbte Schulter sich an ihn presste. Sie schwatzten und plapperten, Bálint allerdings verstand wegen ihrer schnellen Rede keines ihrer Worte. Sie waren jung und fröhlich, sie blickten ihm mit großen, leuchtenden braunen Augen ins Gesicht.
    Später war nur noch eines der Mädchen neben ihm, eigentlich gar nicht neben, sondern hinter ihm. Dann erhoben sich zwei nackte Mädchenarme aus dem Schatten, sie umarmten vorsichtig seinen Hals und zogen ihn aus dem Mondlicht langsam nach hinten. Es war, als versänke er in ein weiches, tiefes Dunkel …

    Der Morgen dämmerte, als er erwachte. Im Inneren des Zelts herrschte noch Nacht, aber durch die Ritzen der heruntergelassenen Plachen drang schon mattes Licht. Gewiss hatte die kleine Rumänin sie sorgfältig geschlossen, bevor er einschlief. Seine Erinnerung belebte sich langsam, und nun stieg in ihm Zorn auf.
    Vor allem zürnte er sich selber. Wie hatte er so etwas tun können? Am Abend desselben Tages, an dem sich Adrienne ihm gegenüber so lieb erwiesen hatte, an diesem heiligen Tag! In der Nase fühlte er noch immer die ranzige Butter, nach der das Haar des Mädchens gerochen hatte. Ihn ekelte vor sich selber. Eine Niedertracht, eine Gemeinheit war das! Später nahm sein Zorn eine andere Richtung. Er dachte an Nyiressy. Sicher hatte der alte Lüstling diesen Plan ausgeheckt, darum und nur darum hatte er ihm das Nachtessen geschickt. Und das Mädchen hatte er abgerichtet, auf ihn gehetzt, und später ließ er sich gewiss Bericht erstatten, dort amüsierte man sich jetzt bestimmt auf seine Kosten und grinste gewaltig!
    Wütend sprang er auf und trat aus dem Zelt. Die Pferde und drei Forstwächter standen bereits am Weg; zwei der Wächter hatten am Abend zuvor in Nyiressys Haus bedient, einer kam vom Gyalu Boti, der andere von Mereggyó, der dritte wiederum, ein Mann mit großem Schnurrbart, war Gheorghe Crișan; er war aus Tószerát hergekommen, nachdem Mézes in aller Eile nach ihm geschickt hatte. Bandi Mézes selber unterhielt sich etwas weiter weg auf der Wiese mit Gaszton Simó, dem Kreisnotar. Der Vizeförster sprach stehend, während Simó natürlich in der Manier eines Herrn auf einem Stein saß. Es schien, dass er das Zelt im Auge behielt, denn er bemerkte Abády sogleich und kam ihm unverzüglich entgegen.
    »Einen frischen, guten Morgen!«, rief er betont

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