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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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die jeweils den Beginn eines hundert Joch umfassenden Bestands bezeichnete. Dies gleicht schon ein wenig Uzdys Forstbetrieb, sagte sich Bálint, und der bescheidene Erfolg bereitete ihm Freude.
    Auf dem Grat schloss sich der alte Schukuzo der Karawane an. Auch er mimte gemäß der herkömmlichen Gebirgssitte einen Kniefall, auch er küsste einzig eine Ecke des Mantels, den der »Mariasa« trug; hernach fragte er, wohin die Reise gehe. Da Abády die Priszloper Wiese als Ziel nannte, setzte er sich an die Spitze, denn das Ziel lag in seinem Revier, und so war es sein Recht, voranzugehen und zu führen. So kamen sie gut weiter und langten an der Straßenkreuzung von Tószerát an. Hier wurden sie schon von Ioan Omolui erwartet, dem Wächter des nächstgelegenen Forstgebiets. Wie stets hatte er eine gewaltige Schaffellmütze auf dem Kopf und trug den mit Messingknöpfen beschlagenen, riesigen Leibgurt und seinen Sonntagspelz. Dies alles markierte sein Ansehen, da er ein »Großbauer« war und nicht etwa ein Häusler wie die anderen Forstwächter. So vermehrten sie sich unterwegs, bis sie gegen Mittag dann unten auf dem Priszlop ankamen. Hier schlugen sie ihr Lager auf.
    Eine prächtige Wiese. Sanft abfallend zieht sie sich zwischen Mischwäldern, zwischen Tannen und Buchen hin. Inseln schütterer Sträucher bilden hier und dort bunte Flecken, und so senkt sich die Wiese bis Fehérvíz hinunter, wo sich in der Quere – gleichsam als Abschlussvorhang auf einer Bühne – die Steilwand des Humpó erhebt und darüber der leicht kraterartige Fels, die Spitze des Vurtóp, bereits sichtbar ist. Ein liebliches, gar nicht rauhes Bild, als wäre die ganze Umgebung eine komponierte Parklandschaft. Bálint hatte die Absicht, auf dieser Lichtung, die in der Mitte seines Waldbesitzes lag, eine Jagdhütte zu bauen. An diesem Nachmittag suchte er und bestimmte letztlich den dafür geeigneten Platz. Als er, von Bandi Mézes begleitet, sich auf den Rückweg machte, brach der Abend allmählich herein. Der alte Schukuzo, der als Trinkwasser-Sachverständiger mit dabei war, fragte Abády, ob er auf einen »caprior de padure« nicht Lust hätte, ob er nicht ein Reh erlegen wolle, da er in dieser Gegend die Wildwechsel kenne.
    »Nur habe ich kein Gewehr mit«, lautete die Antwort.
    »Nu-i bai« – das macht nichts –, sagte Schukuzo und zwinkerte mit seinen entzündeten Augen, »nehmen Sie meines, Mariasa. Ta·re bun! Sie werden schon sehen.« Schukuzos amtliche Büchse erwies sich tatsächlich als eine gut gepflegte Waffe. Man sah ihr an, dass der alte Wilderer daran auch noch gebastelt hatte: Die Mücke am Ende des Laufs war fein abgefeilt und das Visier verengt, damit man genauer zielen konnte. »Gut, meinetwegen«, sagte Bálint, »versuchen wir, einen Bock zu kriegen.«
    Er schickte Mézes zum Lager zurück, sie beide aber drangen in den dichten Wald vor. Sie folgten keinem Weg. Kein Pfad, keine Spur, nicht einmal eine Wildfährte gab es hier. Der Wilderer von einst schritt trotzdem ohne Zögern voran und führte den Mariasa auf durch so leicht zugängliche Stellen, dass weder Zweige zurückschnellten noch umgestürzte Bäume den Weg verstellten. An manchem Ort schien es, als gebe es am Dickicht von Jungtannen kein Vorbeikommen, doch er schlängelte sich überall durch. Seine Schritte blieben stets lautlos – gleichgültig, ob sie sich auf einem Moosteppich bewegten oder auf dürrem Buchenlaub, das sonst am stärksten raschelt; nie knackte ein Ast unter seiner Sohle, obwohl die beschlagenen Bundschuhe, die er an den Füßen trug, in ihrer Größe zwei kleinen Booten glichen. So rückten sie langsam, umsichtig vor, bis Schukuzo neben einer uralten Weißtanne stehen blieb. Witternd ergründete er hier die Windrichtung, dann fegte er mit beiden Händen die trockenen Blätter vom Boden. Nun kniete er vor dem Baum nieder, er bückte sich tief. Während einiger Minuten murmelte er ein Gebet, hernach zeichnete er mit dem Daumen ein Kreuz auf die Erde, wohin sich der Herr setzen, sowie auf die Rinde des Baumstamms, an den er sich mit dem Rücken lehnen würde. Und nachdem er die Zeremonie beendet hatte, flüsterte er nur so viel: »Poftiti, Mariasa.« Dann kroch er hinter den Baum.
    Bálint fand das äußerst amüsant. Die merkwürdige Erfahrung war die Mühe wert, selbst wenn sich kein Wild zeigen sollte. Denn er zweifelte daran, dass sich etwas finden würde. Hätte ihn Schukuzo an den Rand einer Wiese geführt oder zu einem Felsen über

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