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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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kaum fünfhundert Schritte weiter entfernt aufgeschlagen. Diese unerwartete Kunde nahm natürlich, während sie im Gebirge kursierte, an Bedeutung zu. Man flüsterte auch darüber, dass der »Grafu« den Domnul Notar schwer gescholten und dem Hauptstuhlrichter den Rücken gekehrt habe. »Welch ein gewaltiger Herr muss das sein, dass er es wagt, so mit den meistgefürchteten Persönlichkeiten umzugehen? Jemand, den der Kreisnotar Simó trotz der Beleidigung in aller Herrgottsfrühe aufsucht, um ihm schönzutun, sogar wartet, bis er erwacht, und ihm vor den Augen aller Welt dann so untertänig begegnet! Oh, das ist gewiss ein furchtbar großer Herr!«
    Dies alles kam den Leuten von Pejkója schon am nächsten Tag zu Ohren, und ihre Beratungen setzten ein, da sie, die Armen, sich in Not befanden. Pantelimon Rus hatte sie verklagt und eine Zwangsvollstreckung gefordert. Er wollte all ihr Gut versteigern lassen. Sie alle schuldeten ihm Geld. Im Verhältnis zu ihrem Vermögen – sie besaßen 67 Joch an Heuwiesen, 16 Häuser und eine kleine Sägemühle – war die Schuld aus einer kleinen Summe, aus zweihundert Forint, herausgewachsen. Zwei Leute hatten diese von Rus vier Jahre zuvor geliehen, freilich für vierhundert unterschrieben; sechs Monate später schuldeten sie ihm schon siebenhundert, und für die ständig wachsende Schuld mussten allmählich alle anderen gutstehen. Da der Besitz im Grundbuch ungeteilt eingetragen war, gedachten sie ihr gemeinsames Gut zu verteidigen. So waren sie nach und nach alle in Not geraten, und natürlich konnten sie nicht bezahlen, woraus auch hätten sie es tun sollen? Und es war alles ja auch Unrecht, denn sie hatten bloß zweihundert in die Hand ausbezahlt bekommen, aber die Summe, die man von ihnen forderte, betrug nun schon dreitausend Forint!
    Abend für Abend berechneten sie den Plan, den ihnen ihr Senior, Ioane alui Maftei Lung, vorgeschlagen hatte. Er war über sechzig Jahre alt und hatte Bálints Großvater, Péter Abády, gut gekannt. Er war bei ihm in Dénestornya auch mehrmals vorbeigekommen – damals, als Péter Abády etwa fünfzig Jahre lang die gemeinsamen Angelegenheiten der Gebirgsbewohner verwaltete und seine einstigen Leibeigenen ihm, dem gewählten Richter, ihre Anliegen vorzutragen pflegten. Der alte Ioane empfahl also, jetzt das Gleiche zu tun, den jungen Mariasa aufzusuchen und ihm ihre Beschwerden zu schildern. Er werde die Dinge in Ordnung bringen, denn alles spreche dafür, dass er ebenso mächtig sei wie einst sein Großvater. Er könne, wenn man ihn darum bitte und er eingreife, ihnen helfen. Nach viel Gerede fassten sie einen Beschluss in diesem Sinne. Einstimmigkeit freilich hatte keineswegs geherrscht. Es gab Kleinmütige, dann solche, die dem Grafen nicht trauten, und schließlich fanden sich Leute, die meinten, man müsse die Sache nicht auf diesem Weg erledigen, »sondern einmal in der Nacht«. Was nachts geschehen sollte, das erläuterte niemand, trotzdem verstand jedermann, was »la noapte« bedeutete: In der Dunkelheit auf das Haus des Rus losgehen, und was dann geschehen würde, das war ungewiss – verbrennt man seine Schriften, schlägt man ihn tot oder jagt man ihm Angst ein … Es gehörte sich nicht, über dergleichen zu sprechen. Am Ende willigten sie doch ein, dass der alte Ioane alui Maftei Abádys Lager aufsuchte. Mit zwei Begleitern machte er sich in Pejkója auf den Weg: mit dem baumlangen Nicolae Lung, dem man wegen seiner stämmigen Gestalt den Spitznamen »Celmic«, der Kleine, gegeben hatte, und mit seinem Enkel, den man Cula nannte. Letzterer war ein junger Mann, und er war nicht als Beauftragter dabei, sondern begleitete seinen Großvater; im vergangenen Februar hatte er den Mariasa auf dessen Reise bereits getroffen. Unterwegs schloss sich ihnen ein Vierter an, »Turturica«, das Turteltäubchen. Gerade er war es, der auf die gewisse nächtliche Sache Anspielungen gemacht hatte.
    Bálint war von seinem Ausflug spät zurückgekehrt und fand die vier am Feuer vor. Nachdem er sie mit Speck und Branntwein bewirtet hatte, ließ er sie vor sein eigenes Zelt kommen, das vom Lager der Forstwächter ein Stückchen entfernt stand, sodass sie hier offener sprechen konnten; er rief auch Mézes herbei, denn er hatte zwar in seinen Rumänischkenntnissen einige Fortschritte gemacht, aber bei einer Beratung war ein Dolmetscher doch willkommen. Der alte Mann trug die Angelegenheit vor. Er erwähnte viele Einzelheiten, sprach langwierig, aber

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