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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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konnte ebenso wenig etwas aussagen. Er hatte Geräusche vernommen, zum Fenster hinausgeblickt und dunkle Gestalten gesehen. Er hatte gehört, dass einige auch beim Tor standen. Er kletterte deshalb über die Mauer. Die Glassplitter schnitten ihm bös in die Hand. Blutend, nur mit einem Hemd angetan und barfuß flüchtete er. Er rannte aus Leibeskräften ins Tal. Etwas anderes wisse er nicht. »Wen hast du gesehen?« »Ich weiß es nicht.« »Wen hast du erkannt?« »Niemanden.« »Wie waren die Leute gekleidet?« »Ich weiß es nicht.« Es gab keine Möglichkeit, von ihm andere Antworten zu bekommen. Allerdings zitterte er immer noch vor Furcht, aber es war auch nicht auszuschließen, dass er niemals wagen würde, auch nur das Geringste auszusagen. »Wann ist es geschehen, um wie viel Uhr?« »Ich weiß es nicht, es war Nacht.« »Trotzdem, früh oder spät in der Nacht?« »Ich weiß es nicht, es war Nacht, la noapte.«
    Die Fahndung erbrachte auch später nichts. Viele wurden vorgeladen und verhört, denn manch einer hatte hier und dort ein unheilvolles Wort fallenlassen. Jeder Schuldner des Wucherers stand unter Verdacht. So auch die Leute von Pejkója, versteht sich. Aber niemand machte ein Geständnis, jeder war zu Hause gewesen, jeder hatte geschlafen. Achselzuckend und träge gab jedermann diese Antwort. Keinem entschlüpfte ein verräterisches Wort, keiner erzählte eine verwickelte Lügengeschichte, bei der man ihm Widersprüche hätte nachweisen und ihn packen können. »Ich war zu Hause, es schneite … Ich habe geschlafen …«
    Nichts kam ans Tageslicht.

    Die Nachricht vom Geschehen erreichte Abády etwa einen Monat später. András Mézes Zutor hatte es ihm gemeldet. Auch er war verhört worden, man wollte von ihm wissen, wo er die mit Strychnin präparierten Fleischstücke aufgehängt hatte. Er übergab ein genaues Verzeichnis, woraus aber ebenso wenig etwas hervorging. Oberhalb von Pejkója hatte man zwar das ausgehängte, vergiftete Fleisch nicht wiedergefunden, es fehlte aber auch anderswo; vielleicht war es in den Schnee gefallen oder von einem Tier gefressen worden. Auch zwei verendete Wölfe kamen zum Vorschein. Mag sein, dass diese das Fleisch gefressen hatten, mag sein, dass es andere Wölfe waren, die hernach vom Schnee begraben wurden. Als er mit dem Fleisch unterwegs gewesen sei, sagte Mézes, habe ihn einzig der Forstwächter Pavel Teodor begleitet, der die Nacht zusammen mit ihm am gleichen Ort im Tal verbracht und sich von dort bestimmt nicht fortgerührt habe. Er könne das bestätigen. Er habe sich von dort nicht einen Schritt wegbewegt. Vielleicht war dies der Grund, weshalb Mézes den Brief geschrieben hatte, oder vielleicht meldete er sich, weil er wusste, dass sein Herr sich für das Los der Hochgebirgsleute interessierte.
    Bálint las dies auf der Hotelterrasse. Hier, vor dem ständig glänzenden blauen Meer und in einem Oliven- und Orangenhain, fiel es schwer, sich den Winter, den Schnee, die im Schneefall hinziehenden Männer, einen rätselhaften Mord und den Tod vorzustellen. Hier erzählte alles vom Leben, von der Freude und dem Frühling. Einen besseren Ort hätte er für die Arbeit, die er sich vorgenommen hatte, gar nicht finden können. Schönheit überall: das silbergraue Laub und die gewundenen Stämme der Oliven, die goldenen, im dichten Blätterwerk hängenden Früchte der Orangenbäume, einige Palmen im Garten und davor das tiefblaue Meer, darauf die schrägen Lateinsegel und jenseits der Bucht die rauh zerklüftete Felsenküste – als wäre alles ein Traum. Alles Hässliche ließ sich hier vergessen. Einzig die Erinnerungen an das Schöne brachen sich Bahn. In dieser stillen, sorglosen Welt fiel ihm die Arbeit leicht. Nach den Anfangsschwierigkeiten kam er mit dem Werk gut voran.

    Nichts beeinträchtigte die sonnige Ruhe, in der er arbeitete. In der ungarischen Politik herrschte Windstille. Innenminister Kristóffy hatte zu Hause den Widerstand der Munizipien gebrochen; die lärmenden Versammlungen nahmen ein Ende, Bevollmächtigte der Regierung übernahmen die Komitate, und inmitten der Verbote und Warnungstafeln der Paragrafen kam die öffentliche Verwaltung irgendwie doch ihren Tagesaufgaben nach. Da die Steuern durch keine Abstimmung gebilligt worden waren, wurden sie nur zum Teil entrichtet, und die Soldaten, die ihre Zeit abgedient hatten, durften nicht nach Hause, da sich die nächste Alterklasse nicht ausheben ließ. Das Parlament wurde mit unbestimmter

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