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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Frau Sarmasághy hatte sich soeben noch mit der Tulpen-Bewegung befasst. Das war eine Budapester Erfindung. Hochadelige Frauen hatten dort vor einem Monat die Initiative unternommen. »Niemand soll fremde Waren kaufen!«, lautete der Wahlspruch der Bewegung, und als ihr Wahrzeichen diente eine winzige, emaillierte Tulpe. Wer ein Patriot war, hatte sie stets anzustecken und durfte, welches Geschäft er auch betrat, einzig in Ungarn hergestellte Produkte erwerben. Oh, das würde eine gewaltige Waffe abgeben im Kampf gegen die österreichische Industrie! Das Vorhaben erzeugte denn auch zahlreiche begeisterte Ansprachen und lobende Leitartikel sowie viel stolzes Selbstbewusstsein. An fassbarem Ergebnis freilich ergab sich wenig, da doch auch die Kaufleute so viel Verstand hatten, dass sie bei allzu heftiger Fragerei das Brünner Tuch, die Lyoner Seide und das österreichische Leinen für ungarische Erzeugnisse erklärten, was zur Beruhigung der Käuferin ausreichte. Wie denn nicht? War doch selbst das Wahrzeichen, die kleine rot-weiß-grüne Tulpe, aus Wien geliefert worden; dieses Geheimnis war von jener Art, dass alle es kannten, niemand aber darüber sprach. Das Publikum in Siebenbürgen zeigte sich für derartige Bewegungen minder empfänglich, denn hier galt es immer noch, dass man sich ein reich geschmücktes Brautkleid oder ein schönes Kostüm nicht in Budapest, sondern in Wien besorgte, wo man bessere und billigere Ware erhielt. Tante Lizinka hatte es bisher auch so gehalten. Doch da sie wusste, dass Miklós Absolon, ihr Erzfeind, auf der Jagd Goiserer Bergschuhe und einen Tiroler Lodenmantel trug und Springer-Gewehre benutzte, so stürzte sie sich jetzt in das Tulpen-Getümmel, das ihr erlaubte, den alten Widersacher als Landesverräter zu brandmarken.
    Aus dieser wenig hoffnungsvollen Propagandatätigkeit wurde sie durch den Fall Wickwitz gerettet. Der war schöner, besser, ruhmreicher! Mit gewaltiger Energie nahm sie sich des Themas an. Den alten Frauen, die sich bei ihr versammelten, vermochte sie jeden Tag mit schrecklichen Neuigkeiten aufzuwarten, über die sich alle mit Gusto entsetzen durften, um sie hernach unter geschmackvoller Empörung weiterzuverbreiten. Sie entfesselte einen gewaltigen Sturm, einen gewaltigen Sturm im Wasserglas, versteht sich, doch für jene, deren Welt aus einem Wasserglas bestand, war das eben ein Orkan. Die schöne, kleine Dinóra ging dabei tatsächlich unter. Tante Lizinka forschte, schnüffelte und korrespondierte, bis sie alles erfahren hatte. Sie wurde zu einem richtigen Schlammvulkan, der auf jedermann Dreck schleuderte. Außer Dinóra, ihren Mann und Wickwitz bespritzte sie auch andere mit Schmutz. Auch Jenő Laczók bekam das Seine ab sowie Soma Weissfeld, denn sein Institut hatte Dinóras erste Wechsel akzeptiert – »Eine dreckige Sache das, meine Liebe, dass eine Bank solche Dinge tut!« –, und auch László Gyerőffy: »Mein wertester Vetter, du weißt schon, dieser Tunichtgut-Spieler …« Selbst entfernt Stehende gingen nicht leer aus, so die kleine Dodó Gyalakuthy, da doch Wickwitz sich um sie bemüht hatte, und Baron Gazsi, da er sein Offizierskamerad war, sowie Abády, denn »denk nur dran, wie oft er bei dem schlechten Frauenzimmer aus und ein ging«, und Verdacht lenkte sie geschickt sogar auf Miklós Absolon: »Ich sage es einstweilen nicht, aber ihr werdet sehen, dieser lügnerische Gesell steht in dieser Schweinerei auch mittendrin …«
    Abonyi leitete den Scheidungsprozess ein. Er trennte sich von seiner Frau höchst unwillig, denn seine ganze gesellschaftliche Position beruhte auf seiner Ehe. Nun kehrte er überaus traurig ins Komitat Vas zurück, wo er ein Niemand war und nichts galt. Die arme kleine Dinóra aber blieb allein, mit den vielen Schulden am Hals und für immer gebrandmarkt, was sie mit ihrer leichtsinnigen Vogelseele irgendwie ertrug, doch begriff sie niemals, warum ihr dies alles widerfahren war.

    Bei jedem Rückschlag findet sich jemand, der daraus Gewinn schlägt. Dieser Jemand war hier der feine Herr Kristóf Ázbej.
    Einige Tage nach dem Knall in der Wickwitz-Angelegenheit erhielt er von Gyerőffy ein Telegramm: »Bitte besuchen Sie mich diese Woche in Kozárd.« So viel stand darin.
    Da Gräfin Róza Abády noch an der Riviera weilte, verfügte Ázbej frei über seine Zeit, sodass er gleich hinreiste. Bei der Bahnstation von Iklód wurde er von einer Kutsche erwartet, und einige Minuten später stand er schon vor dem Schloss von

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