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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Abwendung der Gefahr sogleich benachrichtigen wollte, einen kleinen Zettel schicken. Er schrieb nur so viel: »W. ist heute Nachmittag geflüchtet. Mehr in der Nacht mündlich.« Zur gewohnten nächtlichen Stunde war er bei ihr und erzählte alles ausführlich. Sie unterhielten sich lange. Die Wendung wirkte überaus beruhigend. Judith würde nun endlich einsehen, auf was für einen unwürdigen Mann sie ihre Gefühle verschwendet hatte. Furchtbar würde es auf sie wirken, alles zu erfahren. Adrienne nahm sich deshalb vor, ihr vorerst nur so viel mitzuteilen, was unbedingt notwendig, und ihr hernach das, was Bálint jeweils melden würde, in kleinen Portionen einzuflößen, aber immer früher, als sie es von anderer Seite vernehmen könnte.
    Die Turmuhr von Monostor schlug drei und dann einmal – Viertel nach drei –, als Abády sich durch den Salon zurück auf den Weg zur Gartentür machte. Prächtiger Mondschein draußen. Das Haus warf seinen Schatten bis zum Rand des Szamos-Grabens, der leuchtende Mond erfasste auf der anderen Seite nur eine Ecke der kleinen Brücke. Er hatte die Hand schon auf der Klinke der Glastür, als er jäh innehielt. Ein dunkler Schatten war vor ihm zum Tor vor dem Steg gehuscht. Ein weiblicher Schatten. Judith! Sie überquerte den Steg und setzte ihren Weg am anderen Ufer eilig fort. Bálint zögerte einige Augenblicke: Sollte er zurückkehren und das Gesehene Addy melden? Dafür gab es keine Zeit. Es galt, dem Mädchen im Laufschritt zu folgen – am Ende würde sie irgendeine Verrücktheit begehen … Rasch also hinaus und ihr nach!
    Es fiel leicht, sie auf dem vom Mond beleuchteten Weg im Auge zu behalten. Ihre Gestalt verschwand manchmal im Schatten der am anderen Ufer stehenden Bäume, dann kam sie wieder zum Vorschein. Und sie eilte, sie eilte sehr. Sie schritt so schnell vorwärts, dass es Bálint kaum gelang, den Abstand zu ihr zu wahren. Sie ging die Fürdő-Straße entlang, hinaus zum Brückenvorwerk, dann bog sie ab in Richtung der Eisenbahn und weiter zum Bahnhof. Abády, der nach ihr forschte, entdeckte sie in der Dunkelheit des Wartesaals zweiter Klasse. Sie hatte sich an die Wand hin verzogen, wo sie auf einer Bank saß. Sie hielt eine kleine Toilettentasche auf dem Schoß. So wartete sie.
    Was sollte er nun tun? Sie anreden? Und was ihr sagen? Er müsste ihr erklären, wie er da hingekommen ist, ihr verraten, dass er sie von der Villa her verfolgt, dass er Adrienne besucht hat. Nein! Unmöglich! Er wartete und überlegte. Die Zusammenhänge ergaben sich allmählich, und großes Mitleid mit dem Mädchen überkam ihn, mit der Armen, die nicht wusste, dass ihr Liebhaber tags zuvor am Nachmittag schon geflüchtet war, sondern ihn hier einen Tag später in der Frühe erwartete, auf dass er sie mitnehme, dass sie nach Österreich reisten, dorthin, wo, wie sie glaubte, ihr das Glück bevorstand …
    Auf die Ankunft von Wickwitz hoffte die Beklagenswerte hier vergebens.
    Doch er, was sollte er tun? Das Wort an sie richten, ihr alles sagen? Judith würde ihm nicht glauben, das Gesagte für Verleumdung halten, und Gott allein weiß, was sie sonst noch täte. Könnte er Adrienne benachrichtigen und bitten, sie abzuholen? Doch es ist bereits vier Uhr, bis er zu Fuß dort hinkäme, würde es schon dämmern, jemand könnte ihn sehen … Am besten schien ihm, dazubleiben und sie erst nach der Abfahrt des Schnellzugs nach Budapest anzusprechen, mit dem die beiden nach Graz hätten reisen sollen. Dann brauchte er nichts zu erklären. Die Tatsachen allein, die niederträchtigen Tatsachen würden sprechen.
    Der Bahnhof erwachte allmählich. Irgendwo rangierte eine Lokomotive. Sie pfiff klagend und ratterte an den rußbedeckten Fenstern vorbei. Lampen wurden geschwenkt. Dann fuhr schnaubend ein Bummelzug ein, dem Drittklasspassagiere entstiegen, um mit großen Bündeln über den Bahnsteig zu eilen. Schließlich begann es zu dämmern. Der Tag brach an. Die Wagen des Zugs nach Budapest wurden auf das Gleis geschoben. Die ersten Passagiere stellten sich verschlafen ein. Mehr und mehr Menschen kamen an.
    Der Portier läutete für die Leute im Wartesaal. »Nagyvárad, Püspökladány, Szolnok, Budapest!«, haspelte er, und die Reisenden strömten hinaus zu den Wagen; sie stiegen ein. Bálint beobachtete Judith vom Bahnsteig her. Das Mädchen wurde, während die Zeit verging, immer unruhiger, doch einstweilen rührte sie sich nicht vom Platz. Ihre Hände umklammerten nervös und krampfhaft den

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