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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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vom Vortag und vergrub sich in die Lektüre, obwohl er schon zur Mittagszeit jede Zeile des Blattes gelesen hatte.
    Das Puzzle legten sie auf einem Wallbrett aus, das sie aus der Küche hatten mitgehen lassen. Alle knieten sie auf den Stühlen, stützten sich mit den Ellbogen auf den Tisch, steckten die Köpfe zusammen. Die eine oder andere krause Locke Adriennes streifte öfters Bálints Gesicht. Wie elektrisches Knistern auf der Haut, so empfand er es stets. Die Frau kümmerte sich nicht darum, wie nahe sie einander waren; sie wurde dessen wohl gar nicht gewahr. Das Spiel allein fesselte sie, ebenso wie die Mädchen und den jungen Bruder, den Gymnasiasten.
    »Das gehört hierher! Nein! Dann das da! Ach, wo! Das habe ich schon versucht!« Dies und Ähnliches sagten sie einander, und großer Ruhm gebührte jedem, der ein passendes Stückchen in die richtige Lücke fügte. So dauerte es lange fort. Mama Milóths scharfe Stimme beendete schließlich den Abend, und alle begaben sich zur Ruhe.

    Abády wurde tags darauf von fröhlichen Frauenstimmen geweckt. Man polterte an den Jalousien, und es klang sehr nach Befehl: »Was für eine Faulenzerei! Stehen Sie sofort auf! Wir sind schon längst im Freien.«
    Nach einer Viertelstunde schloss er sich auf der Veranda den anderen an. Die Frauen und Zoltánka saßen um den Frühstücktisch und konnten offensichtlich kaum erwarten, dass er mit dem Büffelmilchkaffee fertig wurde. In guter Laune machten sie sich auf den Weg, hinauf zum oberen Ende des Gartens. Ein stattlicher Heuhaufen stand auf einer der kleinen Wiesen. Zoltánka erkletterte ihn, und da auch er zur Gemeinde Karl Mays gehörte, führte er oben als Indianer einen Kriegstanz vor. »Komm herunter! Du machst das Heu ganz kaputt!«, rief man ihm zu. Doch er jauchzte nur und sprang in bester Laune darauf herum. Da belagerten sie den Haufen, um den Jungen gewaltsam zu vertreiben.
    Eine allzu zielbewusste Kriegführung indessen wurde daraus nicht, denn kaum war Adrienne zuoberst in der Burg angelangt, wechselte sie zur feindlichen Partei. Nun kämpften besser ausgeglichene Kräfte, zwei gegen drei, und der Ausgang schien zweifelhaft. Doch plötzlich stürzte ein großer Teil des verteidigten Haufens ein, und Zoltánka plumpste zu Boden. Die Festung musste folglich kapitulieren, denn einzig Adrienne war oben geblieben und klammerte sich an die Mittelstange. Sie bereitete sich auf einen Sprung vor, zögerte aber kurz. Der unbeschädigte Teil des Haufens war immer noch ziemlich hoch. Bálint streckte die Hand nach oben und reichte sie ihr. »Gut! Halten Sie mich fest!«, rief Addy und warf sich nach unten, ihm entgegen. Der junge Mann fing sie im Fall auf. Die Arme der Frau umklammerten seinen Hals. Sie ließ ihn nicht gleich los, sondern blieb, mit gebeugten Knien und gespannten Armen, einige Sekunden an seiner Schulter hangen, so wie kleine Mädchen einen Onkel zu umfangen pflegen. Ihr wohlgeformter, warmer Körper schmiegte sich an Bálint, die nackten Arme umarmten seinen Nacken. Ja, es wäre eine Umarmung gewesen, hätten die beiden nicht unbewusst nur ein Spiel gespielt. Eine betörende Sehnsucht erwachte in dem jungen Mann in den wenigen Augenblicken, da sich der schön gewachsene weibliche Körper an ihn presste, der brennende Wunsch, sie nicht mehr loszulassen, sie weiter eng umfangen zu halten und ihren wohlriechenden Hals gewaltsam zu küssen – und alles um ihn herum schien plötzlich von einem purpurnen Nebel verdeckt. Doch Adrienne lachte bloß unschuldig und löste sich von seiner Schulter. Außer unbändig guter Laune empfand sie gewiss nichts.
    Sie wanderten weiter und unterhielten sich munter, doch Bálint fand nicht mehr recht zum scherzhaften Ton zurück. Sie wurden von einem der Stubenmädchen eingeholt. Sie brachte Adrienne ein Telegramm.
    »Die Frau Gräfin hat es geöffnet, bitte sehr«, sagte sie, als sie es übergab. Adrienne durchflog die Zeilen. »Es ist gut. Sie können zurück«, sagte sie zum Stubenmädchen.
    Ihr Gesicht blieb unverändert, obwohl man ihr ansah, dass sie sich hatte überwinden müssen. Das Telegramm steckte sie in ihren Gurt. »Wohin gehen wir?«, fragte sie. Zoltánka schlug die Besichtigung der jungen Kälber vor. Gut. Sie folgten dem Rat, bestaunten die Tiere. Sie streichelten die eine oder andere Kuh, dem Hirtenhund in der Meierei fuhren sie liebkosend über den Kopf; die Enten trieben sie in eine Pfütze und ärgerten die Truthähne. Sie versuchten Schabernack zu treiben

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