Die Schrift in Flammen
ganz dem Wald widmeten und dies ihr alleiniger Beruf sei. Von den Jüngeren gehörte ein Einziger zu dieser Schule: Péter Kollonich. Freilich vertrat er nicht die orthodoxe Tendenz, denn die Farben seines Kostüms waren assortiert – schiefergrau und moosgrün –, und er trug lauter neue Stücke – eine fürchterliche Ketzerei.
Die andere Richtung, das war das englische Jagdkostüm: schottisches Homespun in den verschiedensten Formen und mit allerlei Mustern, gürtelumspannte Mäntel und Pluderhosen. Szent-Györgyi und die Jüngeren hatten sich so angezogen. Diese Art, sich zu kleiden, lässt der Phantasie und dem persönlichen Geschmack breiten Raum. Daher kommt es, dass das, was man trägt, den Charakter oder das Programm eines jeden widerspiegelt.
Antal Szent-Györgyi lieferte dafür ein Beispiel. Es gab an ihm nichts Auffallendes. Man hätte ihn für einfach und anspruchslos halten können, und nur wer die tiefe und vollkommene Harmonie seiner Kleidung ergründete, kam zur Erkenntnis, welch hohe Kultur und welchen Geschmack sie offenbarte. Denn es konnte keinem Zufall entspringen, dass baumstammgraue Hosen die Fortsetzung seiner mahagonibraunen Weste bildeten und dass das kaum wahrnehmbare Stückchen an seiner knallgelben Krawatte die einzige lebhafte Farbe in den Ausschnitt des Mantels setzte. Ebenso wenig zufällig trug er spiegelglatte, starre Ledergamaschen, welche die strengen Linien seiner langen Unterschenkel noch betonten. Sein Äußeres mied diskret jede Protzerei. Mit seiner hohen und dünnen Windhundgestalt brauchte er sich um Aufsehen nicht zu bemühen, und nur so, an der Ganzheit, nicht an den Einzelheiten seiner stimmigen Bekleidung erkannte man, dass er unter allen Herren der Vornehmste war. Den Gegensatz zu ihm bildete Frédi Wuelffenstein, der von oben bis unten kariert auftrat, wie wenn sich ein Schachbrett zum Spaziergang anschickte. Selbst seine Strümpfe stammten von den Shetland-Inseln, wo man sie, schönen Mäandern folgend, aus rot-blauer, grüner und orangefarbener Wolle gestrickt und mit baumelnden Quasten versehen hatte. Ach, welch wunderbare Strümpfe, die er sich aus London hatte kommen lassen. Vielleicht gehörte auch Slawata zur englischen Richtung, obwohl das ungewiss blieb, denn sein Gewand bestand ganz phantasielos aus grauem Stoff, und den Mantel hatte er bis unter das Kinn zugeknöpft. Der hinreißend gekleidete Wuelffenstein widmete ihm deshalb eine Bemerkung, als er und Niki hinter Slawata zu den Wagen schritten: »Er sieht aus wie ein Chauffeur schlechter Sorte, dieser Stinkkerl.«
»Oder ein Maschinenschlosser am Sonntag«, höhnte Niki genauso laut. Wieso sollte der Fremde Ungarisch verstehen? Und schallend lachten sie hinter dem Rücken des Tschechen.
Zwölf Wagen erwarteten die Jagdgäste auf dem breiten, mit Sand und Kies bestreuten Hof. Zehn von den Gespannen waren hohe, gelbe Britschkas mit breitknochigen Nonius-Pferden und schnauzbärtigen Fuhrleuten, denen man ansah, dass sie die ungarische Livree nur zu besonderen Anlässen anzogen. Zwei Gespanne hatte der Schlossstall gestellt mitsamt den glattrasierten, in grauer Zivilkleidung steckenden Kutschern und den Braunen, deren Kopf edle Linien zeigte, die aber ein wenig schlaff wirkten. Für den alten Kanizsay hatte man eine der Kaleschen bereitgestellt, damit er mit seinem Gewicht keine hohe Kutsche erklettern müsse. Das andere Gefährt, ein niedriger Korbwagen, erwartete den Hausherrn. Mit diesem Gespann pflegte er im Sommer zur Jagd auf Rehböcke zu fahren.
Zwei Männer standen neben jedem Wagen. Der eine, ein Tagelöhner, schleppte in einem mit Riemen versehenen Kistchen die Hunderte von Patronen; der andere, der die Gewehre lud, war ein vom Gast mitgebrachter Jäger oder bei Bedarf ein vom Gut hinbeorderter Wildhüter. Letztere trugen die Büchsen. An der Jacke des Patronenträgers und an der Kutsche neben der Lampe war jeweils dieselbe Nummer befestigt. Auf der Fasanenjagd sollten sich die Nummern über den ganzen Tag bei jedem Treiben wiederholen und den Stand bezeichnen, der den einzelnen Jägern zugewiesen war. Dies nicht in der Reihenfolge der Zahlen, sondern kombiniert nach den jeweiligen Umständen beim Treiben sowie je nach dem Können und dem Rang des Schützen; so folgte auf eins womöglich elf und dann wieder sieben auf drei. Erzherzog Joseph hatte dieses System eingeführt, und die meisten übernahmen es, da sie es für das beste hielten; es ermöglichte stets allen, ohne besondere
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