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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Anordnungen ihren Stand und ihre Leute zu finden. Nun ja, eine so große Jagdpartie mit zweifacher Treiberkette, den äußeren Wachtposten, die das Wild von den Feldern hereindrücken, mit ihren Wildwagen, dem Aufsichts- und dem Buchungspersonal und den zahlreichen berittenen Boten erfordert eine ebenso vollkommene Organisation wie das Kaiser-Manöver selbst.

    Ratternd, im Eiltempo fuhren die Wagen die von zwei endlos scheinenden Pappelreihen gesäumte Chaussee entlang, die das ganze Gut durchzog. Die Straße lief pfeilgerade auf die sanften Anhöhen zu, schmiegte sich an, folgte den steigenden und auslaufend sinkenden Sandwellen, um dann aufwärts wieder die nächste steile Strecke in Angriff zu nehmen. Es war eine Baumreihe, deren Ende sich in der Weite verlor; die entfernt stehenden Stämme entfärbten sich matt im morgendlichen Dunst, der am westlichen Horizont vom Plattensee aufstieg. Sich über hundert Joch erstreckende Felder, von geschnittenen Christusdorn-Hecken eingefasst, erstreckten sich auf beiden Seiten des Wegs. Ein zweischariger Dampfpflug rauchte in der Ferne. Hier und dort, über dem Teppich des braunen Brachlands und der grünen Saaten, tauchte weiß eine Meierei auf, langgestreckte Kuhställe und Gesindehäuser kamen in Sicht. Man hatte für das Wild bei jedem zweiten oder dritten Feld rechtwinklige Remisen errichtet, und breite Schneisen durchschnitten quer die angepflanzten Forste. Stände für zehn Schützen waren hier vorbereitet und dazu zwei an den Flanken.
    Die Gespanne hielten beim ersten Stand. Die Schützen nahmen gemäß der Nummerierung ihre Plätze ein. Ein Jagdhorn ertönte. Die Treiber setzten sich in Bewegung. Sie trieben das Wild nicht mit Rufen, sondern mit Pfiffen. Jeder hielt ein dünnes Brett, an das man zwei Holzkugeln gekettet hatte. Beim Schütteln ergab das einen Ton wie bei der Ratsche, wovor die Fasane nicht erschraken und in ihrer Angst über die Köpfe der Leute jäh zurückflatterten, sondern nach vorn, den Jägern entgegenkamen. Und der leise Ton der Ratschen näherte sich langsam.

    Piff, paff! Piff, paff, paff! Das allein war zu hören sowie ein einziges Wort, das man in der Reihe der Schützen und vorne bei den Treibern wiederholte: »Hahn! Hahn! Hahn rechts! Hahn links!« Manchmal hieß es: »Tiro!« – ein international geläufig gewordener Ausdruck, der seinen Ursprung im französischen »tire haut!« hat, diesen Zuruf gebrauchten aber nur die Jäger. Nach kurzer Zeit überdeckte dann alles der laute Flügelschlag, als ein Schwarm von dreißig bis vierzig Fasanen rauschend aufflog und die Büchsen wie bei einer Salve krachten. Nun kam das Gegentreiben, und dann ging es mit den Wagen weiter zur nächsten Remise.

    So dauerte dies den ganzen Vormittag ohne Unterlass. Änderungen erfuhr nur die Reihenfolge, in der sich die Schützen aufstellten. Auch hierin aber gab es ein System, und zwar eines, das man schlau erdacht hatte. In den an Wild reichsten Ständen befanden sich immer General Kanizsay, Szent-Györgyi, Montorio und der Hausherr. Warum einzelne Stände besser waren als andere, warum gerade dort mehr Fasane aufflogen, musste Nicht-Eingeweihten ziemlich rätselhaft vorkommen, da doch die Bäume in den angepflanzten Forsten überall ganz gleich dicht standen und gleich hoch waren.
    Trotzdem verhielt es sich so, und zwischen zwei Ständen, vor denen Wolken von Fasanen hochflogen, gab es immer einen oder zwei, wo immer nur solche Hähne erlegt werden konnten, die aus der Nachbarschaft herübergeflattert waren. Drei bis vier bewanderte Männer gingen nämlich – hierin bestand des Rätsels Lösung – der Reihe der Treiber immer voran, so wie das die vorgeschobenen Stürmer beim Fußball tun, und sie lenkten die aufgescheucht hin und her laufenden Fasane; zum Geheimnis gehörten sodann niedrige Reisighecken, die sich im Dickicht kreuz und quer hinzogen und das Wild zuletzt wie in einem Trichter gerade vor die vornehmsten Gäste führten. So gehörte es sich. Je öfter der Gast dazu kommt, einen Schuss abzugeben, desto größer die ihm erwiesene Ehre.
    Der hochgestellte Gast ist aber nicht immer auch ein guter Schütze. Diese Feststellung traf auf Montorio zu, noch viel mehr aber auf den alten Kanizsay, der nicht nur schwerfällig war, sondern dazu auch noch zwei altertümliche, rauchende Flinten mitgebracht hatte, an denen er seit dreißig Jahren treu festhielt. Verfehlt nun der Vorzugsgast viel Wild, dann verkleinert sich die Beute, die doch die Jägerehre

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