Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zurück, wo Sie mich aufgelesen haben. Oder stecken Sie mich in das Stinkloch, das Sie als Gefängnis bezeichnen. Soll ich Ihnen mal was sagen, Lieutenant? Ungestraft kommt keiner davon. Es kommt bloß drauf an, wo man die Strafe verbüßt. Ich verbüße sie ständig, egal, wo ich bin.« Er legte den Zeigefinger an seinen Kopf. »Da drin sind Sachen, die schlimmer sind als alles, was ihr Arschgeigen mir antun könnt.«
»Das glaube ich Ihnen«, sagte ich.
Wutentbrannt schaute er mich an. Dann riss er sich ebenso rasch wieder zusammen, so als hätte er nur Sprüche geklopft, und richtete den Blick auf einen Schmetterling, der gerade auf einer Kamelie gelandet war, die Flügel zusammenklappte, aber keinen festen Halt auf dem Blatt fand.
Als ein leichter Wind aufkam, fiel der Schmetterling auf den Boden, mitten unter die Feuerameisen, deren Bau sich genau unter dem Kamelienstrauch befand. Der ehemalige Soldat, der mir bei unseren Begegnungen drei verschiedene Namen angegeben hatte, ging auf alle viere und hob den Schmetterling mit einem Zweig auf, trug ihn zum Bayou und schirmte ihn mit hohler Hand vor dem Wind ab. Er bückte sich und setzte ihn auf einen Mooshaufen in einer hohlen Zypresse.
Ich räumte unseren Abfall weg, schob drei Finger in seinen Pappbecher und steckte ihn in den Karton mit den übrig gebliebenen Donuts. Nachdem ich ihn an der Main Street abgesetzt hatte, fuhr ich zu unserem Kriminallabor draußen am Flugplatz und bat einen unserer Kriminaltechniker darum, die Fingerabdrücke auf dem Becher zu sichern und über AFIS laufen zu lassen, das Automatisierte-Fingerabdruck-Identifizierungs-System.
»Ist es dringend?«, sagte er.
»Sagen Sie, es geht um einen Mordfall«, erwiderte ich.
An diesem Nachmittag holte Clete Purcel Barbara Shanahan von der Arbeit ab und fuhr mit ihr zu einem Western-Laden, der im Süden der Stadt lag, inmitten von Einkaufszentren und großen Discount-Märkten, deren Parkplätze mit Müll übersät waren. Clete blieb im Auto sitzen und hörte Radio, während sie ein Cowboyhemd und eine silberne Gürtelschnalle kaufte, die sie ihrem Onkel zum Geburtstag schenken wollte. Als der Verkäufer ihre Kreditkarte entgegennahm, war ihr mit einem Mal unwohl zumute, kribbelte ihr plötzlich der Rücken, als ob sie angestarrt würde, als striche faulige Luft über ihren Hals, obwohl die Ladentür geschlossen war und niemand hinter ihr stand.
Dann roch sie den Zigarettenqualm, obwohl in dem Laden nicht geraucht werden durfte. Sie drehte sich um und schaute einen Gang entlang, der von Regalen voller Cowboyhüte und von Hand gefertigter Taschen gesäumt wurde, und sah einen hoch aufgeschossenen, hageren Mann mit steilen Falten im Gesicht, der ein langärmliges braunes Hemd mit Druckknöpfen und einen keck auf dem Kopf sitzenden Panamahut trug, dazu eine frisch gestärkte Khakihose mit einer verchromten Gürtelschnalle, auf der sich ein bronzenes Pferd aufbäumte.
Der Mann rauchte eine filterlose Zigarette, die er mit zwei nikotingelben Fingern hielt. Er ließ den Blick über ihr Gesicht wandern, über ihre Brüste und den Bauch, die Hüfte und die Schenkel. Stierte sie unter seiner Hutkrempe an und verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln.
Aus irgendeinem Grund wurde ihre Kreditkarte nicht angenommen. Der Verkäufer bat um einen Moment Geduld.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte sie.
»Die Verbindung funktioniert nicht. Ich weiß nicht, woran es liegt. Ich versuch’s auf der anderen Leitung«, erwiderte er.
»Ich kann auch bar bezahlen«, sagte sie.
»Ist schon in Ordnung, Ma’am. Ich bin gleich wieder da«, sagte er und ging nach hinten.
Sie schaute geradeaus und musterte eine Reihe alter Schusswaffen an der Wand. Dann schlug ihr von hinten ein muffiger Geruch entgegen, eine Mischung aus Seifenlauge und Schweiß, als hätte jemand seine Kleidung nicht richtig gewaschen. Nein, das war es nicht. Es war viel schlimmer – es roch strenger, eher nach Tod und Verwesung, wie wenn eine Ratte auf dem Dachboden verfault.
Sie drehte sich um und sah Legion Guidry vor sich, der sie aus nächster Nähe anstarrte. Er zog an seiner Zigarette, wandte sich ab und blies den Rauch nach oben.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, sagte sie.
»Ich hab dich gesehn. Dich und ihn«, sagte er. Er zeigte mit dem Kopf auf den Parkplatz, wo Clete in seinem Auto saß und eine Zeitschrift las.
»Sie haben mich gesehen. Was wollen Sie damit sagen?«, sagte sie.
»Was denkst du denn? Durchs Fenster hab
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