Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
die voller Blumenkästen hing. Auf dem Hof daneben stand eine Eiche, die um die zweihundert Jahre alt sein musste und von der eine zerrissene Schaukel in den Staub hing.
Beeler Grissum, Rubys Mann, der aus dem nördlichen Georgia oder aus South Carolina stammte, saß auf der Verandatreppe, knackte Erdnüsse und warf sie einem Truthahn auf dem Hof zu. Vor zwei, drei Jahren hatte ihm ein Freier, der nicht auf den alten Bauerntrick reingefallen war, mit dem er ausgenommen werden sollte, einen Karatekick ins Gesicht verpasst und das Genick gebrochen. Jetzt wirkte sein Körper wie ein Sack Kartoffeln, und das Kinn wurde von einer Nackenstütze aus Leder und Stahl aufrecht gehalten, sodass sein Kopf wie in einem Käfig saß und aussah, als gehörte er nicht zu ihm. Seine Haare waren platinblond gefärbt, wie bei einem Proficatcher, und glatt nach hinten gekämmt. Er drehte sich mit dem ganzen Oberkörper um, als wir uns der Treppe näherten, und seine Miene verriet, dass er sich dunkel an uns erinnerte.
»Mein Beileid wegen Ihrer Frau, Beeler«, sagte ich.
Er nahm eine Erdnuss aus dem Sack, den er in der Hand hatte und bot ihn uns dann an.
»Nein, danke«, sagte ich. »Der Sheriff meint, Ruby wurde möglicherweise aus einem Auto geworfen.«
»Er war nicht dabei. Aber wenn er das sagt«, sagte Beeler.
Soweit ich mich erinnern konnte, war er Schaustellergehilfe gewesen, bevor er Zuhälter wurde, und war sein Leben lang so gut wie nie auf einem Computer erfasst worden. Er sprach mit tonloser, näselnder Stimme, so gleichförmig und bar jeder Gemütsregung, sei es Freude, Leidenschaft oder Bedauern, dass der Zuhörer das Gefühl hatte, Beeler mache sich nicht genug aus anderen, der Welt oder selbst seinem eigenen Schicksal, um zu lügen.
»Im Bezirk New Iberia wurden in letzter Zeit zwei Frauen ermordet. Möglicherweise besteht da ein Zusammenhang mit Rubys Tod«, sagte ich.
Er schaute ins Leere und schien über meine Worte nachzudenken. Dann kratzte er sich mit dem Fingernagel unter dem Auge.
»Dann sind Sie also nicht ihretwegen hier. Geht’s um die Fälle, die ihr nicht lösen könnt?«, sagte er.
»So würde ich das nicht ausdrücken«, sagte ich.
»Spielt keine Rolle. Is eh meine Schuld«, sagte er.
»Da komme ich nicht ganz mit«, sagte ich.
»Wir haben uns gestritten. Sie is mit meinem Pickup abgehauen. Manchmal fährt sie zu ’nem Bluesschuppen für Farbige, manchmal zu dem Kasino im Reservat. Sie hat ihr ganzes Trinkgeld in ’nem Obstglas aufgehoben. Sie war scharf auf die Pokerautomaten.«
»Hatte sie etwas mit einem anderen Mann?«, fragte Helen.
»Sie war aus der Szene ausgestiegen. Seitdem wollte sie von andern Männern nix mehr wissen. Is bei den meisten ehemaligen Huren so. Reden Sie nicht so über sie«, erwiderte er.
»Können Sie uns ein Bild von Ihrer Frau überlassen?«, fragte Helen.
»Ich glaub schon.«
Er ging ins Haus und kehrte mit einem Foto von Ruby zurück, das zusammen mit etlichen anderen in einer Bibel mit goldenen Lettern auf dem Einband steckte. Er reichte es Helen. Ruby hatte volles, schwarzes Haar, aber aufgrund ihres hageren Gesichts wirkte es wie eine Perücke bei einer Schaufensterpuppe.
»Ruby is elf Jahre lang anschaffen gegangen. Straßenstrich, Motels, Fernfahrerkneipen. Die hat alles Mögliche erlebt, sämtliche Perversen und Freaks, die’s gibt. Der Typ, der an sie rangekommen is, den schnappt ihr nicht«, sagte er.
»Könnten Sie uns das erklären?«, sagte Helen.
»Hab ich doch grade«, erwiderte Beeler.
Er schüttelte den Erdnusssack vor dem Truthahn aus und ging in sein düsteres Haus zurück, ohne sich zu verabschieden.
An diesem Abend spritzte ich den Bootsanleger ab, zog eine Kette durch die Stahlösen, die am Bug unserer Mietboote angeschraubt waren, schlang sie um einen der Stützpfeiler des Stegs und sicherte sie mit einem schweren Vorhängeschloss, zählte dann im Köderladen die Rechnungen zusammen, schaltete das Licht aus, sperrte die Tür ab und machte mich auf den Weg zum Haus.
Ein grau-brauner Pickup, verbeult und von vorn bis hinten zerschrammt, parkte unter den ausladenden Ästen einer immergrünen Eiche. Ein großer Mann, der Khakikleidung und einen Cowboyhut aus Stroh trug, stand bei der Ladeklappe und rauchte eine Zigarette. Die Glut zog eine Leuchtspur durch die Luft, als er die Zigarette in hohem Bogen auf den Fahrweg warf.
»Suchen Sie jemanden?«, fragte ich.
»Sie«, sagte er. »Den Mann, der dem schwarzen Weibsstück hilft, das
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