Die Schuld
Herren auf dem obersten Deck die Sprache.
Kurz vor der Morgendämmerung kam ein Sturm auf, der die Jacht heftig hin und her schwanken ließ. French, der einen furchtbaren Kater und eine nackte Anwaltsassistentin neben sich unter der Decke hatte, verständigte vom Bett aus den Kapitän und befahl ihm, Kurs auf die Küste zu nehmen. Das Frühstück wurde auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, aber Hunger hatte sowieso niemand. Das Abendessen war ein vierstündiger Marathon gewesen, gespickt mit Kriegsgeschichten aus dem Gerichtssaal, schmutzigen Witzen und den üblichen Zänkereien nach zu viel Alkohol. Clay und Ridley waren früh zu Bett gegangen und hatten die Tür ihrer Kabine zweimal verriege lt.
Im Hafen von Biloxi, wohin die Jacht vor dem Sturm ausgewichen war, gelang es dem Klägerausschuss, sämtliche Dokumente und Memos zu besprechen, die auf der Tagesordnung standen. Die Abwicklungsagentur brauchte Anweisungen, und Dutzende Unterschriften mussten geleistet werden. Clay war schlecht, als sie mit der Arbeit fertig waren. Er sehnte sich nach festem Boden unter den Füßen.
Einer der Tagesordnungspunkte waren die letzten Honorarzahlungen. Clay, genauer gesagt seine Kanzlei, sollte in Kürze weitere vier Millionen Dollar bekommen. Eine stolze Summe, aber er war sich nicht sicher, ob er überhaupt etwas vom Eingang des Geldes bemerken würde. Die vier Millionen würden die Gemeinkosten ansatzweise aufwiegen, aber leider nur vorübergehend.
Allerdings würde er sich Rex Crittle dann für ein paar Wochen vom Hals halten können. Sein Controller ging wie ein werdender Vater in den Fluren der Kanzlei auf und ab und wartete auf Honorare.
Nie wieder, schwor er sich, als sie von Bord gingen. Nie wieder würde er zulassen, dass man ihn über Nacht mit Leuten zusammensperrte, die er nicht leiden konnte. Eine Limousine brachte sie zum Flugplatz. Die Gulfstream hob ab und flog in die Karibik.
31
S ie hatten die Villa für eine Woche gemietet, obwohl Clay bezweifelte, dass er die Kanzlei so lange allein lassen konnte. Das Haus schmiegte sich an einen Hang über der quirligen Hafenstadt Gustavia, in deren Straßen sich Autos und Touristen drängten. Im Hafen herrschte reger Schiffsverkehr. Ridley hatte die Villa in einem Katalog für exklusive Privatvermietungen gefunden. Es war ein schönes Gebäude im traditionellen karibischen Stil mit rotem Ziegeldach und langen Galerien und Veranden. Die Schlafzimmer und Bäder waren so zahlreich, dass man sich verlaufen konnte. Koch, zwei Dienstmädchen und ein Gärtner gehörten zur Ausstattung. Es dauerte nicht lange, bis sie sich häuslich eingerichtet hatten. Clay begann, in den Immobilienprospekten zu blättern, die jemand freundlicherweise hatte liegen lassen.
Seine erste Begegnung mit dem örtlichen Nacktbadestrand war eine herbe Enttäuschung. Gleich zu Anfang kam ihm eine verschrumpelte Oma entgegen, die gut beraten gewesen wäre, ihre entblößten Körperteile zu verhüllen. Dann tauchte ihr Gatte auf, dessen gewaltiger Bauch so tief hing, dass er seine Genitalien verdeckte. Sein Hinterteil zierte ein Ausschlag, und der Rest sah fast noch schlimmer aus. Allmählich entwickelte sich all diese Nacktheit zum Alptraum. Ridley war natürlich in ihrem Element. Sie stolzierte am Strand auf und ab, während sich die anderen Urlauber den Hals nach ihr verdrehten. Nach ein paar Stunden im Sand flohen sie vor der Hitze in ein exquisites französisches Restaurant, wo sie ein zweistündiges Mittagessen genossen. Alle guten Restaurants waren französisch, und die Insel war voll davon.
Gustavia war völlig überlaufen. Es war heiß und eigentlich keine Reisesaison, aber das schien den Touristen entgangen zu sein. Sie schoben sich auf den Gehwegen von Geschäft zu Geschäft und verstopften mit ihren gemieteten Jeeps und Kleinwagen die Straßen. Der Hafen, wo kleine Fischerboote die Jachten der Reichen und Schönen umschwärmten, kam niemals zur Ruhe.
Während Mustique ruhig und abgeschieden war, erwies sich St. Barth als völlig verbaut und überbucht. Trotzdem besaß die Insel ihren eigenen Zauber. Clay gefielen beide. Ridley, die lebhaftes Interesse an karibischen Immobilien zeigte, zog wegen der Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie St. Barth vor. Sie mochte quirlige Städte und betriebsame Menschen. Schließlich brauchte sie Publikum.
Nach drei Tagen nahm Clay seine Uhr ab und fing an, die Tage in einer Hängematte auf der Veranda zu verschlafen. Ridley las stundenlang
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