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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Kontrast zu dem gestärkten weißen Baumwollhemd und der ebenfalls strahlend weißen Latzhose. Seine Kampfstiefel waren auf Hochglanz gewienert und glänzten mit der Vollglatze um die Wette.
    Er wies auf den einzigen Stuhl in seinem nur mit dem notwendigsten eingerichteten Büro und schloss dann die Tür. »Haben Sie den Papierkram dabei?«, fragte er. Einleitender Smalltalk gehörte offensichtlich nicht zu seinen Stärken.
    Clay reichte ihm die erforderlichen, von Tequila Watson unterzeichneten Formulare, dessen Schrift wegen der Handschellen kaum zu entziffern war. Talmadge X studierte die Papiere ausführlich. Clay fiel auf, dass er keine Uhr trug. Die Zeit schien an der Eingangstür ausgesperrt worden zu sein.
    »Wann hat er die unterschrieben?«
    »Heute. Ich habe ihn vor ungefähr zwei Stunden im Gefängnis aufgesucht.«
    »Und Sie sind sein Pflichtverteidiger?«, fragte Talmadge X. »Offiziell?«
    Der Mann hatte nicht nur einmal persönliche Erfahrungen mit dem Strafrecht gemacht. »Ja. Vom Gericht bestellt, vom Office of the Public Defender beauftragt.«
    »Arbeitet Glenda noch da?«
    »Ja.«
    »Wir kennen uns schon lange.« Für seine Verhältnisse kam das einer Plauderei sehr nahe.
    »Wussten Sie das mit dem Mord schon?«, fragte Clay, während er einen Notizblock aus seiner Aktentasche zog. »Bis zu Ihrem Anruf vor einer Stunde nicht«, antwortete Talmadge X. »Als er am Dienstag nicht von seinem Ausgang zurückgekommen ist, war uns allerdings klar, dass etwas nicht stimmte. Aber wir rechnen immer damit, dass irgendetwas nicht stimmt.« Talmadge X sprach gemächlich und wählte seine Worte sorgfältig. Er blinzelte häufig, doch sein Blick irrte nie umher. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Das ist vertraulich, okay?«
    »Ich bin sein Betreuer und sein religiöser Beistand. Sie sind sein Anwalt. Alles, was in diesem Raum gesagt wird, bleibt unter uns. Einverstanden?«
    »In Ordnung.«
    Clay informierte Talmadge X über die Details, die er bisher zusammengetragen hatte, und ließ auch Tequilas Schilderung der Ereignisse nicht aus. Formal gesehen und hinsichtlich der Standesregeln war es heikel, die Äußerungen eines Mandanten an einen Dritten weiterzugeben, aber wer scherte sich schon darum? Talmadge X wusste mehr über Tequila Watson, als Clay auf eigene Faust je herausbekommen würde.
    Während Clay sprach, blickte Talmadge X resigniert zur Decke auf und schloss die Augen. Es schien, als wollte er Gott fragen, warum all dies geschehen musste. Er wirkte tief in Gedanken verloren und beunruhigt.
    »Was kann ich tun?«, fragte er, als Clay schwieg.
    »Ich würde gern die Akte sehen, die Sie über Tequila Watson angelegt haben. Er hat sein Einverständnis gegeben.«
    Die Akte lag vor Talmadge X auf dem Schreibtisch. »Später«, sagte er. »Zuerst sollten wir reden. Was wollen Sie wissen?«
    »Lassen Sie uns mit Tequila beginnen. Wo kommt er her?«
    Jetzt blickte Talmadge X Clay wieder an. Ganz offensichtlich wollte er helfen. »Von der Straße, wie alle hier. Man hat ihn an die Fürsorge überwiesen, weil er ein hoffnungsloser Fall war. Von einer Familie kann man bei ihm eigentlich nicht sprechen. Seinen Vater hat er nicht gekannt, seine Mutter starb an Aids, als er drei war. Aufgezogen haben ihn eine oder zwei Tanten, die ihn gelegentlich zu anderen Verwandten abgeschoben haben. Dann hier und da Pflegeheime, manchmal auf gerichtlichen Beschluss, schließlich Jugenderziehungsanstalten. Die Schule hat er geschmissen. Für uns hier ein typischer Fall. Wissen Sie über diese Einrichtung Bescheid?«
    »Nein.«
    »Wir sind für die schlimmsten Fälle zuständig, für die Schwerstabhängigen. Wir sperren sie monatelang ein, und es geht ähnlich zu wie in der Grundausbildung bei der Army. Was das Personal angeht, haben wir außer mir sieben Leute, alles Drogenabhängige. Einmal süchtig, immer süchtig - auch wenn man clean ist. Bestimmt wissen Sie das. Vier von uns sind jetzt Geistliche. Ich habe dreizehn Jahre lang wegen Drogendelikten und Raub gesessen. Dann habe ich den Weg zu Jesus gefunden.. Wie auch immer, wir sind auf die jungen Cracksüchtigen spezialisiert, denen sonst niemand mehr helfen kann.«
    »Nur Crack?«
    »Crack ist die Droge, Mann. Billig, massenhaft verfügbar. Damit kann man dieses elende Leben für ein paar Minuten vergessen. Aber wenn man einmal mit Crack angefangen hat, kann man die Finger nicht mehr davon lassen.«
    »Tequila konnte mir nicht viel über seine Vorstrafen

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