Die Schuld
Bewusstsein. Sein Kinn war angeschwollen, die Lippen waren dick und blau. An seinem Hals klebte getrocknetes Blut.
Stumm registrierten sie das volle Ausmaß seiner Verletzungen, während die Monitore klickten und piepsten. Sein Brustkorb hob und senkte sich ganz langsam. Dann fing Jonah an zu lachen. »Schau dir diesen Mistkerl an!«
»Sei still, Jonah«, zischte Paulette, die ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte.
»Da liegt er, der König der Sammelklagen«, prustete Jonah, von unterdrücktem Lachen geschüttelt.
Nun wurde auch Paulette die Ironie der Situation bewusst. Sie brachte es fertig zu lachen, ohne den Mund zu öffnen. Eine ganze Weile standen sie um Fassung ringend am Fußende von Clays Bett.
»Du solltest dich schämen«, sagte sie schließlich.
»Ich schäme mich ja. Tut mir Leid.«
Ein Krankenpfleger rollte ein zweites Bett herein. Paulette würde die erste Nachtwache übernehmen, Jonah die zweite. Zum Glück hatte der Überfall so spät stattgefunden, dass in der Washington Post vom Sonntag nicht darüber berichtet wurde. Miss Glick rief alle Angestellten der Kanzlei an und bat sie, von Besuchen im Krankenhaus abzusehen und auch keine Blumen zu schicken. Vielleicht würde ihre Unterstützung im Laufe der Woche nötig werden, aber im Augenblick waren Gebete am hilfreichsten.
Am Sonntagmittag stand Clay endlich von den Toten wieder auf. Paulette wälzte sich auf dem Klappbett hin und her, als er fragte: »Wer ist da?«
Sie sprang auf und lief zu ihm. »Ich bin es, Clay.«
Durch seine verschwollenen Augen glaubte er, undeutlich ein schwarzes Gesicht zu erkennen. Ridley war es also nicht. Er streckte die Hand aus. »Wer?«
»Paulette, Clay. Kannst du nichts sehen?«
»Nein. Paulette? Was tust du hier?« Seine Stimme klang belegt, und die Worte kamen langsam und mühsam.
»Auf dich aufpassen, Boss.«
»Wo bin ich?«
»Im Krankenhaus der George-Washington-Universität.«
»Warum, was ist passiert?«
»Du hast eine ziemliche Abreibung nach alter Art verpasst bekommen.«
»Was?«
»Du bist überfallen worden. Zwei Männer mit Knüppeln. Brauchst du Schmerztabletten?«
»Ja, bitte.«
Sie stürzte aus dem Zimmer und informierte eine Krankenschwester. Wenige Minuten später erschien ein Arzt, der Clay mit schmerzlicher Genauigkeit schilderte, wie furchtbar er verprügelt worden war. Nach einer weiteren Tablette versank er wieder in der Bewusstlosigkeit. Den Großteil des Sonntags über lag er in einem angenehmen Nebel, während seine Babysitter Paulette und Jonah Zeitung lasen und im Fernsehen Football anschauten.
Am Montag schlug die Presse mit voller Wuc ht zu. Die Berichte glichen sich aufs Haar. Paulette stellte den Ton am Fernseher ab, und Jonah versteckte die Zeitungen. Miss Glick und der Rest der Kanzlei verbarrikadierten sich und weigerten sich, den Vorfall zu kommentieren. Sie erhielt eine E-Mail vom Skipper einer Segeljacht, der behauptete, Clays Vater zu sein. Er war in der Nähe der Halbinsel Yucatán im Golf von Mexiko unterwegs und wollte wissen, wie es Clay ging. Sie teilte es ihm mit - Zustand stabil, Knochenbrüche, Gehirnerschütterung. Er bedankte sich und kündigte an, sich am nächsten Tag wieder zu melden.
Ridley traf am Montagnachmittag ein. Daraufhin verschwanden Paulette und Jonah, die froh waren, für eine gewisse Zeit aus dem Krankenhaus herauszukommen. Offenbar war Ridley als Georgierin aber nicht klar, was von ihr erwartet wurde. Während Amerikaner rund um die Uhr bei ihren geliebten Kranken und Verletzten ausharren, halten andere Kulturen einstündige Besuche für ausreichend. Der Rest bleibt dem Krankenhaus überlassen. Ridley gab sich einige Minuten lang höchst liebevoll und versuchte, Clay für die letzten Verschönerungen an ihrer Villa zu interessieren. Sein Kopf begann noch mehr zu hämmern, sodass er um eine Tablette bitten musste. Sie legte sich auf das Klappbett, um ein wenig zu schlafen, weil sie, wie sie sagte, vom Heimflug erschöpft war. Dabei war es ein Non-Stop-Flug mit der Gulfstream gewesen.
Er nickte ebenfalls ein. Als er erwachte, war sie fort.
Ein Detective erschien. Der Verdacht richtete sich auf einige Schläger aus Reedsburg, aber die Beweise waren dürftig. Clay konnte den Mann, der ihm den ersten Hieb versetzt hatte, nicht beschreiben. »Ich habe nichts gesehen«, sagte er, während er sich das Kinn rieb. Um ihn aufzumuntern, hatte der Beamte vier große Farbfotos des schwarzen Porsche bei sich, an dem überall Zement
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