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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Tage, bis der Spot gedreht ist. Ein paar Tage, um die Sendezeiten zu bekommen. Sie müssen Anwaltsassistenten einstellen und irgendwo am Stadtrand für sie Räume anmieten; hier ist es zu teuer. Die Klageschrift muss abgefasst werden. Sie haben gutes Personal. Sie sollten es in weniger als dreißig Tagen schaffen.«
    »Ich fahre mit den Kanzleimitarbeitern für eine Woche nach Paris, aber wir werden es schaffen.«
    »Mein Mandant will, dass die Klage innerhalb eines Monats eingereicht wird. Bis zum zweiten Juli, um genau zu sein.«
    Clay kehrte zum Tisch zurück und sah Pace an. »Ich habe noch nie so eine Klage geführt.«
    Pace zog eine Broschüre aus seinen Akten. »Haben Sie an diesem Wochenende viel vor?«, fragte er.
    »Eigentlich nicht.«
    »In letzter Zeit mal in New Orleans gewesen?«
    »Zuletzt vor ungefähr zehn Jahren.«
    »Schon mal was vom ›Juristenzirkel‹ gehört?«
    »Kann sein.«
    »Das ist eine alte Gruppe mit neuem Inhalt. Prozessanwälte die auf Sammelklagen spezialisiert sind. Zweimal im Jahr kommen sie zusammen und reden über die neuesten Trends in der Rechtsprechung. Es wäre ein produktives Wochenende.« Er schob Clay die Broschüre hin, und der nahm sie in die Hand. Die Titelseite schmückte ein Farbfoto des Royal Sonesta Hotel im French Quarter.
    New Orleans war wie immer warm und schwül, insbesondere im French Quarter.
    Clay war allein, und das war gut so. Selbst wenn er noch mit Rebecca zusammen gewesen wäre, hätte sie ihn nicht begleitet. Sie hätte zu viel Arbeit gehabt, und am Wochenende musste sie ja mit ihrer Mutter shoppen gehen. Das Übliche. Er hatte überlegt, ob er Jonah einladen sollte, aber ihre Beziehung war momentan etwas angespannt. Clay war aus der engen Wohngemeinschaft in das behagliche Haus in Georgetown gezogen, ohne Jonah zu fragen, ob er mitkommen wolle. Das war ein kleiner Affront gewesen, doch Clay hatte sich darauf vorbereitet und konnte damit umgehen. Das Letzte, was er in seinem neuen Stadthaus wollte, war ein wüster Mitbewohner, der zu jeder Tages- und Nachtzeit auftauchte und alle Mädchen hereinschleppte, die ihm über den Weg liefen.
    Das Geld trieb ihn langsam in die Isolation. Alte Freunde rief er nicht mehr an, weil er ihre Fragen nicht hören wollte. Die alten Kneipen besuchte er nicht mehr, weil er sich etwas Besseres leisten konnte. In weniger als einem Monat hatte er Arbeit, Wohnung, Auto, Bank, Garderobe, Restaurants und Fitnessstudio gewechselt. Er war sogar kurz davor, die Freundin zu erneuern. Allerdings zeichnete sich bislang noch keine Alternative ab. Rebecca und er hatten achtundzwanzig Tage lang nicht miteinander gesprochen. Er ging immer noch davon aus, dass er sie am dreißigsten Tag anrufen würde. Doch inzwischen hatte sich so vieles geändert.
    Als Clay die Lobby des Royal Sonesta betrat, war sein Hemd schweißnass und klebte ihm am Rücken. Die Teilnahmegebühr betrug fünftausend Dollar, ein unverschämt hoher Preis für ein paar Tage Herumhängen mit einer Horde Anwälte. Die Summe machte deutlich, dass hier durchaus nicht jeder aus der Welt der Juristen willkommen war, sondern nur die Reichen die es wirklich ernst meinten mit ihren Sammelklagen auf Schadenersatz. Das Zimmer kostete zusätzlich vierhundertfünfzig Dollar, die Clay mit einer noch ungebrauchten Platin-Kreditkarte bezahlte.
    Im Angebot waren verschiedene Seminare. Aufs Geratewohl hörte er sich eine Podiumsdiskussion über Umweltdelikte an, die von zwei Anwälten geleitet wurde. Sie hatten ein Chemieunternehmen bezichtigt, Trinkwasser verseucht zu haben, was Krebs verursacht hatte - oder auch nicht. Jedenfalls hatte das Unternehmen eine halbe Milliarde gezahlt, und die Anwälte waren reich geworden. Nebenan dozierte ein Anwalt, den Clay aus dem Fernsehen kannte, voller Elan darüber, wie man mit den Medien umgehen musste; allerdings hatte er nicht viele Zuhörer. Genau genommen waren alle Vorträge nur spärlich besucht, aber es war auch erst Freitagnachmittag - die prominenten Redner trafen am Samstag ein.
    Die meisten Teilnehmer befanden sich in einem kleinen Ausstellungssaal, wo ein Flugzeughersteller ein Werbevideo über seinen neuesten Luxusjet vorführte, den edelsten seiner Generation. Der Film wurde auf einem riesigen Bildschirm in einer Ecke des Saals gezeigt. Dicht gedrängt standen die Kollegen da und bestaunten schweigend dieses neueste Wunder der Luftfahrt. Reichweite viertausend Meilen - »vom Atlantik zum Pazifik, von New York bis Paris, natürlich

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