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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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gemeint? War William Dunne womöglich gar nicht ihr Vater gewesen?
    »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist, April?«, fragte Benjamin besorgt. »Du siehst nämlich nicht danach aus.«
    »Tut mir leid, ich brauche bloß ein bisschen frische Luft.«
    Sie ließ ihn stehen und flüchtete sich an den anderen Trauergästen vorbei in den kleinen Garten hinaus, der eigentlich gar kein richtiger Garten war, sondern eher eine Art Hinterhof. Früher waren diese Hinterhöfe, von denen fast jedes dieser Stadthäuser einen besaß, ausschließlich von den Dienstboten zur Verrichtung diverser Hausarbeiten genutzt worden. Aber Tilda, die Freundin ihrer Mutter, die ihnen das Haus vermittelt hatte, hatte dort eine kleine, von Blumenbeeten gesäumte Terrasse mit einer hübschen Sitzecke aus Teakholzmöbeln anlegen lassen. Leider war es mittlerweile Spätherbst und damit ziemlich ungemütlich draußen. April setzte sich auf eine Bank und schlang zitternd die Arme um den Oberkörper. Gott, ist das kalt, dachte sie. Warum ist es nur so entsetzlich kalt?
    Plötzlich nahm sie den Geruch von Rauch wahr und drehte den Kopf.
    »Sorry«, sagte der Mann, der neben der Tür stand, und hob seine Hand, in der er eine Zigarette hielt. »Schreckliche Angewohnheit, ich weiß. Wenn es Sie stört, kann ich sie auch gerne ausmachen.«
    April schüttelte zwar den Kopf, aber da hatte er seine Zigarette schon ausgedrückt.
    »Ich werde dann mal lieber wieder reingehen – Sie sehen aus, als wollten Sie ein bisschen allein sein. Wollte Ihnen auch nur ganz kurz Hallo sagen.« Er beugte sich vor und streckte ihr die Hand hin. »Peter Noble. Ich bin ein alter Freund Ihres Vaters.«
    April schüttelte seine Hand. Warum kommt mir sein Name bloß so bekannt vor?
    »Ähm… darf ich Sie vielleicht etwas fragen?«, sagte sie aus einer spontanen Laune heraus. »Es geht um meinen Vater.«
    »Natürlich. Was möchten Sie wissen?«
    »Bin ich… bin ich ihm ähnlich?«
    Peter Noble lachte leise. »Und ob«, sagte er. »Sie sind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »Wirklich?«
    Er nickte und deutete auf einen der Stühle. »Darf ich?«
    »Bitte. Ich würde gern noch etwas mehr über ihn hören.«
    Lächelnd setzte der Mann sich ihr gegenüber. Er sah ein kleines bisschen älter aus als ihr Vater, was aber vielleicht auch nur an seinen etwas zu langen grauen Haaren und der silbergerahmten Brille lag. Er sieht wie der Typ Mann aus, der abgewetzte Tweedjacketts trägt und eine Dänische Dogge hat, dachte April. Jedenfalls hatte sie aus irgendeinem Grund sofort das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Außerdem ist er ein alter Freund von Dad, also muss er zu den Guten gehören… oder?
    »Ich habe Ihren Vater leider nicht mehr gesehen, seit er damals mit Ihnen und Ihrer Mutter nach Edinburgh gezogen ist«, sagte Peter Noble. »Aber wir haben während all der Jahre regelmäßig telefoniert und uns Briefe geschrieben.«
    Der Brief – natürlich! Peter Noble war der Mann, der in dem Schreiben erwähnt wurde, in dem man ihrem Vater die Stelle als Chefredakteur bei der Sunday Times angeboten hatte. In dem Brief, den sie an dem Morgen ihres Streits entdeckt hatte. An dem Tag, an dem er starb.
    »Arbeiten Sie nicht selbst auch für eine Zeitung?«, sagte sie.
    »Stimmt genau, woher wissen Sie das?«
    »Ach, mein Vater hat vor ein paar Wochen mal so etwas erwähnt.«
    »Jedenfalls habe ich Sie oder Ihre Mutter schon seit Jahren nicht mehr gesehen, aber als ich vorhin hereinkam und sah, wie Sie sich mit Ihren Freundinnen unterhielten, wusste ich sofort, dass Sie es sind. Sie haben exakt seine Augen. Und sein Kinn.«
    »Sein Kinn?« April lächelte unsicher.
    »Ja, die Art, wie Sie es nach vorne recken, wenn Sie sich ereifern – genau wie Ihr Vater.« Er zögerte einen Moment. »Ich bin vorhin leider unfreiwillig Zeuge der Unterhaltung geworden, die Sie mit Ihrer Mutter in der Küche geführt haben. Ich kannte William seit unserer Jugendzeit, und glauben Sie mir: Sie gleichen Ihrem Vater wirklich in jeder Hinsicht. Und glauben Sie mir außerdem, wenn ich Ihnen sage, dass Sie sein Ein und Alles waren.«
    April wandte den Blick ab.
    »Es ist seltsam, über ihn in der Vergangenheitsform zu sprechen, ich weiß – aber ich kann Ihnen versprechen, dass es einfacher wird. Ich habe vor ein paar Jahren meine Frau verloren. Das war eine harte Zeit… eine wirklich harte Zeit, aber irgendwie überlebt man sie. Will war ein zäher Hund, wenn Sie mir diese etwas saloppe Ausdrucksweise

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