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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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dann schreckte er plötzlich hoch.
    »Was?«, murmelte er und blickte sich schlaftrunken um.
    »Ich bin’s!«, rief April noch einmal. »April Dunne!«
    »Um Himmels willen, was machen Sie denn da unten?«, fragte er ungehalten.
    »Ich wollte zu Ihnen.«
    »Na, dann nehmen Sie gefälligst die Tür wie jeder andere und versuchen nicht, durch den Briefkastenschlitz zu kriechen.« Der alte Mann stand steifbeinig auf und ließ sie rein.
    »Tut mir wirklich leid«, sagte April und klopfte ihren Mantel ab. »Ich wollte Sie nicht aufwecken, aber ich muss dringend mit Ihnen sprechen.«
    »Mich aufwecken?«, sagte er entrüstet und tastete seine Westentaschen nach seiner Brille ab, bis er schließlich merkte, dass sie bereits auf seiner Nase saß. »Ich habe mitten in der Arbeit gesteckt und Inventur gemacht, junge Dame. Was gibt’s denn nun so Dringendes?«
    April zog den Terminkalender ihres Vaters aus der Manteltasche und schlug die entsprechende Seite auf. »Hier. Das habe ich im Kalender meines Vaters gefunden.« Sie deutete auf den umkringelten Eintrag am Tag seines Todes: Griffin’s, 14.30.
    Mr Gill rückte seine Brille zurecht, warf einen Blick in das Büchlein und sah dann wieder April an.
    »Sie sagten, es geht um Ihren Vater? Ist er ein Kunde?«
    April schüttelte traurig den Kopf. » War . Er ist vor ein paar Wochen gestorben.«
    »Oh. Das tut mir sehr leid, mein Kind. Kam es sehr unerwartet? Sie müssen wissen, in meinem Alter ist das Unerwartete alles, worauf man sich noch freuen kann.«
    »Sehr unerwartet, ja.«
    »Kommen Sie. Am besten setzen Sie sich erst einmal und erzählen mir in aller Ruhe, wie ich Ihnen helfen kann.«
    April nahm auf einem der Hocker Platz und erklärte Mr Gill, dass sie herauszufinden versuchte, woran ihr Vater vor seinem Tod gearbeitet hatte. »Der Termin bei Ihnen in der Buchhandlung ist der letzte Eintrag in seinem Kalender, verstehen Sie?«
    »Hmmm.« Mr Gill runzelte nachdenklich die Stirn. »Wegen des Weihnachtsgeschäfts war in letzter Zeit sehr viel los bei uns. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wer an diesem Tag alles in den Laden kam.«
    »Aber der Kalendereintrag klingt so, als hätte er mit Ihnen einen konkreten Termin vereinbart, sonst hätte mein Vater wahrscheinlich keine genaue Uhrzeit dazu notiert.«
    »Er hatte einen Termin?« Mr Gill tippte sich mit dem Zeigefinger an die Lippen. »Möglich, möglich. Lassen Sie mich kurz nachsehen.«
    Er schlug sein in braunes Leder gebundenes Auftragsbuch auf, blätterte leise vor sich hin murmelnd bis zum entsprechenden Datum und fuhr dann mit dem Finger die Liste der Einträge hinunter.
    »Ein Mr Dunne?«, fragte er schließlich und blickte April über den Rand seiner Brille hinweg an.
    »Genau! Ja, das ist mein Vater – was hat er gekauft?«
    Der alte Mann schüttelte langsam den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass… nein, ich weiß es sogar ganz genau.«
    »Was wissen Sie genau?«, fragte April ungeduldig.
    »Ihr Vater hatte den Termin telefonisch vereinbart, sagte, er sei auf der Suche nach einem bestimmten Buch, das er unbedingt bräuchte, aber er ist leider nicht gekommen. Ich kann mich deswegen noch so gut daran erinnern, weil auf Radio Four eine Sendung kam, die ich mir eigentlich anhören wollte und von der ich den Anfang verpasste, weil ich auf ihn wartete. Wahrscheinlich ist ihm ein anderer wichtiger Termin dazwischengekommen?«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    April hätte heulen können. Sie war sich so sicher gewesen, endlich einen entscheidenden Hinweis gefunden zu haben, und war doch wieder nur in einer Sackgasse gelandet.
    »Wirklich schade, es ist nämlich ein ganz ausgezeichnetes Buch.«
    April schaute auf. »Welches Buch?«
    Mr Gill griff unter seine Ladentheke und zog einen schmalen Band mit verblasstem rotem Umschlag hervor. »Das hier ist das Buch, für das er sich interessierte – Volksmythen aus dem Osmanischen Reich. Eine sehr seltene Ausgabe, aber noch in tadellosem Zustand.«
    »Darf ich es mir ansehen?«, fragte April aufgeregt.
    »Aber gewiss, bitte sehr. Möchten Sie sich vielleicht in den Leseraum zurückziehen? Den Weg dorthin kennen Sie ja bereits.«
    April setzte sich an das Pult und schlug als Erstes das Register auf. Furien, die, Seiten 23–4, 112, 212–34. Ja! Volltreffer!
    Fieberhaft blätterte sie zu den betreffenden Seiten zurück und begann zu lesen.
    Die früheste Erwähnung der Furien findet sich um das Jahr 1560 zur Regierungszeit von Süleyman I., als das Osmanische Reich seine

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