Die Schule der Nacht
und vor versammelter Klasse lächerlich machen müssen? Und diese blöde Emily konnte ihr auch gestohlen bleiben. Benjamin hatte zumindest versucht, ihr zu helfen, aber was war bloß in Gabriel gefahren, sie so heftig anzurempeln? Sie hatte ihn doch bloß ein paarmal angesehen, kein Grund, sie gleich umzurennen.
»Ich hasse diese Schule«, flüsterte sie und blickte missmutig auf das Buch, das Mr Sheldon der Klasse als Hausaufgabe mitgegeben hatte. Eine Werkausgabe von John Wyndham, einem Autor, von dem sie noch nie etwas gehört hatte. Als sie zum Inhaltsverzeichnis blätterte, sackte ihre Laune noch tiefer in den Keller. Die erste Geschichte hieß »Die Triffids « , und jetzt erinnerte sie sich, dass sie schon mal etwas darüber gelesen hatte. Es ging darin um irgendwelche riesigen menschenfressenden Pflanzen. April hatte mit Science-Fiction noch nie etwas anfangen können – sie fand diese ganzen Geschichten über Außerirdische und Helden mit Laserschwertern einfach nur albern. Genauso wie die Nerds, die darauf standen und in der Regel nicht sonderlich viel Wert auf Körperhygiene legten. Gelangweilt überflog sie die anderen Titel: Kuckuckskinder , Chocky , Wenn der Krake erwacht … Sie klappte das Buch zu, schlug es an einer beliebigen Stelle wieder auf und las die ersten beiden Zeilen von »Kuckuckskinder « . Wow , dachte sie, was für ein Schwachsinn. Stirnrunzelnd las sie weiter, aber ihr erster Eindruck bestätigte sich im Verlauf der Geschichte nur noch: Die Sprache war total gestelzt und altmodisch. Immerhin musste sie kurz amüsiert grinsen, als sie feststellte, dass der Protagonist Richard Gay ford hieß. Sie schüttelte den Kopf. Es gab etwas, das sie noch alberner fand als Science-Fiction, nämlich Lehrer, die versuchten »modernen Unterricht« zu machen, aber dem Trend ungefähr drei Jahrzehnte hinterherhinkten. Seufzend beschloss sie, sich später weiter mit dem Buch zu befassen, steckte es in ihre Tasche und ging wieder ins Schulgebäude zurück, weil sie sich sicher war, dass alle aus ihrem Kurs mittlerweile gegangen waren. Sie fragte eine jüngere Schülerin nach dem Weg zum Ausgang. Das Mädchen half ihr bereitwillig weiter und gab ihr eine detaillierte Wegbeschreibung. Spätestens als sie sich im Heizungsraum wiederfand, hätte ihr klar sein müssen, dass sie auf den Arm genommen worden war, aber sie war ziemlich starrköpfig – eine Charaktereigenschaft, die sie vermutlich von ihrem Vater geerbt hatte – und ging trotz ihrer Zweifel weiter. Mittlerweile hatte sie völlig die Orientierung verloren. Ihr war lediglich klar, dass sie irgendwo im Keller herumirren musste. Wütend auf sich selbst, stieß sie eine Tür mit der Aufschrift »Notausgang« auf und stürmte in das dahinterliegende Treppenhaus.
»Hey! Spinnst du?«, fragte eine aufgebrachte Stimme, als die schwere Stahltür gegen die Wand schlug. April hob den Blick und sah zwei umwerfend hübsche Mädchen am Treppengeländer lehnen. Ein drittes, das um ein Haar von der Tür getroffen worden wäre, hätte beinahe die Champagnerflasche fallen lassen, aus der sie gerade getrunken hatte, und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?«, blaffte sie.
»Tut mir leid.« April trat einen Schritt beiseite, tat so, als hätte sie nichts gesehen, und steuerte auf die Treppe zu. Alkohol in der Schule? Sie war zwar keine Lehrerin, aber die Mädchen würden trotzdem nicht besonders erfreut darüber sein, beim Trinken erwischt worden zu sein. Als sie schon fast an ihnen vorüber war, stellte sich eine von ihnen ihr in den Weg. Es war das schwarze Kaninchen. Die traumhaft schöne Davina, Schwester des traumhaft schönen Benjamin.
»Du bist doch neu hier, oder?«, sagte sie und ließ den Blick ihrer kühlen blauen Augen über April wandern wie die Sensoren eines Scanners.
»Äh, ja, bin ich«, stammelte April und warf den beiden anderen Mädchen, die sie lauernd beobachteten, einen unsicheren Seitenblick zu. Nach einer gefühlten Ewigkeit lächelte Davina und streckte ihre schlanke Hand aus.
»Hallo. Ich bin Davina«, sagte sie. »Und das sind Layla und Chessy.« Sie zeigte auf ihre beiden Freundinnen.
»Ich heiße April.«
»Ich weiß.« Davina sah sie einen Moment lang prüfend an und deutete dann mit einem Nicken in Richtung Treppe. »Komm mit, wir machen eine kleine Besichtigungstour durch die Schule. Wahrscheinlich hat sich bis jetzt noch niemand die Mühe gemacht, dich ein bisschen
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