Die Schule der Nacht
ein bisschen üben müssen, sonst kann sie ihren Traum begraben, eines Tages in ein Königshaus einzuheiraten.«
April zwang sich zu einem Lachen. »Ist das wirklich ihr Traum?«
»Hat sie dir noch nicht davon erzählt? Seit sie alt genug war, um mit ihren Barbiepuppen Hochzeit zu spielen, behält sie sämtliche heiratsfähigen Prinzen der europäischen Königshäuser im Auge. Ihr Zimmer ist von oben bis unten mit den Fotos von blaublütigen Junggesellentapeziert, die sie aus dem Tatler oder der Paris Match ausgeschnitten hat.«
April runzelte die Stirn. Davina wollte sich einen Prinzen angeln? Nicht dass sie sich darüber wunderte, dass Benjamins oberflächliche, luxussüchtige Schwester so hochtrabende Zukunftspläne hatte, aber falls sie tatsächlich ein Vampir war, hatte ihr Plan einen ziemlich großen Haken: Sie war auf Fotos unsichtbar. Als Gattin des Mitglieds einer Königsfamilie würde sie aber auf Schritt und Tritt von Paparazzi verfolgt werden. Gabriel hatte ihr erklärt, dass die Vampire sich bewusst im Hintergrund hielten und von dort aus die Strippen zogen. Falls Davina wirklich in den Hochadel einheiraten sollte, würde es für sie unmöglich sein, ein unauffälliges Leben zu führen. Boulevardzeitschriften wie OK ! und Hello! würden sich um Fotos von ihr reißen, und dieses Risiko würde sie ja wohl kaum eingehen. Aber vielleicht hatten sie die Geschichte ja auch nur zur Tarnung erfunden.
»Was ist denn los?«, fragte Benjamin, dem der Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht entgangen war.
»Nichts, gar nichts«, sagte April schnell. »Ich… na ja, besonders romantisch ist das aber nicht. Ich meine, wo bleibt denn da die Liebe?«
»Davina und Romantik?« Benjamin lachte amüsiert. »Auf ihrer Prioritätenliste stehen zuallererst Dinge wie ›Bentley‹, ›Cartier‹ und ›Haute Couture‹.«
April musste kichern, bis ihr wieder einfiel, wo sie war und mit wem sie sich unterhielt. Vergiss nicht, warum du hier bist, April, schalt sie sich in Gedanken. Es geht nur darum, den Mord an deinem Vater aufzuklären!
»Und wie sehen deine Zukunftspläne aus, Ben?«, fragte sie im leichten Plauderton. »Willst du dir eine Thronerbin suchen?«
»Gott bewahre, nein«, sagte er. »Sollte ich jemals heiraten, dann nur aus Liebe.« Er zwinkerte ihr mit einem charmanten Lächeln zu, ergänzte dann jedoch sofort: »Aber ich möchte so schnell wie möglich in die Politik und dort Karriere machen, was vermutlich auch nicht besonders romantisch ist. Ich habe schon einige Medientrainings hinter mir und sammle gerade in einem der Unternehmen meines Vaters Erfahrung. Hört sich ganz schön öde an, ich weiß, aber man muss eben früh wissen, was man im Leben will, wenn man etwas erreichen möchte.«
Und manchmal ist das, was man will, bedeutungslos, dachte April bitter. Sie hatte auch einmal Träume und Zukunftspläne gehabt, aber das Schicksal hatte offenbar anderes mit ihr im Sinn. Sie fragte sich, ob Benjamin nicht genau die gleichen Probleme mit Foto- und Fernsehkameras haben würde wie Davina, aber vielleicht ging es bei diesem Training, das er gerade erwähnt hatte, ja genau darum, wie man den Medienrummel vermied. Und in der Politik war es natürlich auch ein Leichtes, sich im Hintergrund zu halten und von dort aus Einfluss auszuüben. Trotzdem war sie von dem, was er ihr erzählte, beunruhigt. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass hinter alldem mehr steckte, als ihr bisher bewusst gewesen war – nur was? Während sie darüber nachgrübelte, beobachteten sie, wie Davina und Ling lachend über die Terrasse zum Whirlpool flitzten.
»Bei Tag muss der Ausblick unglaublich sein«, sagte April und ging zum Fenster. Im schwindenden Licht konnte sie lediglich den unterhalb der Terrasse liegenden Garten sehen. Der dahinter angrenzende Park und der Friedhof waren in der Dämmerung nur zu erahnen. Das Anwesen der Osbournes war noch etwas mondäner als das von Milos Eltern, das allerdings direkt am Heath-Park lag. »Obwohl ich nicht so nah am Friedhof wohnen wollen würde. Findest du es nicht ein bisschen… keine Ahnung… unheimlich, dass direkt hinter eurer Gartenmauer diese ganzen Grabsteine stehen?«
»Ich habe mich daran gewöhnt«, sagte Benjamin achselzuckend. »Und irgendwelche Geister sind mir hier auch noch nie begegnet. Was hältst du davon, wenn ich dich ein bisschen herumführe, nachdem deine Gastgeberin dich so sträflich vernachlässigt?«
»Gerne.« April rang sich ein Lächeln ab und versuchte
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