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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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schon offen?, fragte sie sich. Aber das hätte mir doch auffallen müssen, oder? Habe ich vielleicht bloß das Quietschen der Angeln gehört, als jemand das Tor aufgemacht hat? Dem Berg trockenen Laubs nach zu urteilen, der am Boden lag, musste es eine Weile her sein, seit das Tor das letzte Mal geöffnet worden war. Sie ging näher heran und versuchte, durch die Gitterstäbe etwas zu erkennen, aber außer ein paar dunklen Schatten war nichts zu sehen.
    Plötzlich ertönte von Neuem ein gellender Schrei. April wich erschrocken ein paar Schritte zurück. Diesmal bestand kein Zweifel: Es war ein Schmerzensschrei gewesen. Etwa von einem Menschen? Dann hörte sie erstickte Laute, die wie ein leises Wimmern klangen und ganz aus der Nähe kamen.
    »Hallo?« Sie zwang sich, ihre Stimme fest und entschlossen klingen zu lassen. »Ist da jemand?«
    Wieder ertönte der Schrei – leiser diesmal, schwächer.
    »Hallo? Brauchen Sie Hilfe?«, rief sie. Trotz ihrer Angst und der eindringlichen Warnung ihrer Eltern konnte sie jetzt nicht einfach weitergehen. Vielleicht lag dort ein Mensch, der schwer verletzt war und dringend einen Krankenwagen brauchte.
    April zog den bereits einen Spaltbreit geöffneten Flügel des Eingangstors ganz auf. Die rostige Angel gab ein leises Quietschen von sich, und im Dunkel des Friedhofs konnte April auf dem mit Unkraut überwucherten Pfad eine kleine dunkle Gestalt ausmachen. Während sie angestrengt etwas zu erkennen versuchte, sah sie, dass sie sich bewegte.
    Als sie näher trat, streifte sie im Vorbeigehen das Tor, das erneut quietschte. Das kleine Wesen, das auf dem Pfad lag, zuckte zusammen und versuchte verzweifelt, auf die Beine zu kommen. Jetzt sah April, was es war: ein Fuchs.
    Ein paar Meter von dem Tier entfernt ging sie in die Hocke, sprang aber sofort wieder erschrocken auf. Sie hatte irgendetwas Warmes und Nasses im Gras berührt. Zitternd hielt sie die Hand ins milchig weiße Mondlicht und sah, dass ihre Fingerkuppen dunkel schimmerten. Ist das etwa Blut? , fragte sie sich entsetzt und sah zu dem Fuchs hinüber. Er rührte sich nicht mehr, aber sie konnte ihn immer noch ganz leise winseln hören.
    Ihr war nicht wohl dabei, so dicht neben einem wilden, verletzten Tier zu stehen, andererseits konnte sie es doch auch nicht einfach dort liegen lassen.
    »Wer hat dir das angetan, mein Kleiner?«, flüsterte sie.
    Sie drehte sich um und spähte in die Dunkelheit. Nichts als Bäume, Grabsteine und… Plötzlich sah sie einen Schatten, der kein Schatten war.
    Sie schrie leise auf und presste die Hand auf den Mund. Inmitten der Bäume stand jemand mit dunklen, stechenden Augen und beobachtete sie. Ohne einen weiteren Gedanken an den Fuchs zu verschwenden, wich sie rückwärts Richtung Tor zurück. Und dann erhob sich auf einmal ein ohrenbetäubendes Tosen, und sie spürte einen heftigen Luftzug, als etwas auf sie zustürmte. Sie spannte die Muskeln an und erwartete jeden Moment zu Boden geworfen zu werden, wurde stattdessen jedoch in die Luft gerissen und rückwärts vom Friedhof gezerrt. Einen Wimpernschlag später fand sie sich mit schmerzenden Gliedern mitten auf der Swain’s Lane liegend wieder.
    Verdammt noch mal, was…?
    »Lauf! Hau ab!«, flüsterte eine Stimme. April rappelte sich mühsam auf und blinzelte in die Richtung, aus der die Stimme kam, konnte aber nur eine schemenhafte Silhouette erkennen, die sich im Schatten des Tors zum Friedhof abzeichnete.
    »Verschwinde von hier!«, zischte die Stimme. »Geh!«
    Als die Gestalt sich umdrehte, fiel das Mondlicht auf ihr Gesicht, und April wurde schwindlig. Es war Gabriel Swift.
    » LAUF !«, rief er und schlug das Tor zu. April fuhr panisch herum und rannte den Hügel hinauf, so schnell ihre Beine sie trugen.
    April stand seit zehn Minuten unter der Dusche, die sie so heiß gestellt hatte, dass Dunstschwaden den Raum erfüllten, aber die Kälte wollte einfach nicht aus ihrem Körper weichen. Ihr klapperten die Zähne, und ihre Beine zitterten immer noch von ihrem Spurt den Hügel hinauf. Widerstrebend stellte sie das Wasser schließlich ab, wickelte sich in ein riesiges Frotteetuch und kauerte auf dem Rand der Badewanne, bis das Frösteln allmählich nachließ. Ihr Verstand suchte verzweifelt nach einer Erklärung für das, was sie gerade erlebt hatte. War das, was sie auf dem Friedhof gesehen hatte, wirklich nur ein toter Fuchs gewesen? Die Blutlache war für so ein kleines Tier schrecklich groß gewesen. War er vielleicht von einem

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