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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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dass bald Vollmond war.
    Sie dachte über den vergangenen Tag nach und blies beim Ausatmen kleine Dampfwölkchen in die kalte Luft. Eigentlich gab es keinen Grund, Mr Sheldon wegen des kleinen Vorfalls in Philosophie böse zu sein. Im Grunde genommen hatte er nichts weiter getan, als sie dazu anzuspornen, ausgetretene Denkpfade zu verlassen und ihren eigenen Kopf zu benutzen. Und am Ende der Stunde hatte er sie sogar ein bisschen gelobt. Aber warum Gabriel Swift sie so grob angerempelt hatte, war ihr immer noch ein Rätsel. Trotzdem musste sie zugeben, dass ihr erster Tag an der Ravenwood School gar nicht so schlimm verlaufen war, wie sie befürchtet hatte. Sie hatte immerhin zwei neue Freundinnen gefunden – oder zumindest Bekanntschaften gemacht –, was doch eigentlich eine ganz gute Bilanz war. Besser als die komische Neue zu sein, mit der sich niemand unterhalten wollte. Davina war ihr zwar zu schnell zu vertraulich geworden, aber das war wahrscheinlich einfach ihre Art. Caro war ziemlich unverblümt und eindeutig ein bisschen durchgeknallt, trotzdem mochte sie sie jetzt schon richtig gern. Fiona hatte gelacht, als sie ihr Caro beschrieben hatte, und gesagt: »Die scheint ziemlich viel Ähnlichkeit mit deinem Dad zu haben.«
    April spähte durch ein schmiedeeisernes Tor zu ihrer Linken auf die Kirche, deren Dach im Mondlicht schimmerte. Das Ding ist bloß eine Kirche, kein Geisterschloss, dachte sie lächelnd. Die Ravenwood School hatte dagegen tatsächlich Ähnlichkeit mit Draculas Schloss, zumindest von außen. Im Inneren waren es eher die anderen Schüler gewesen, die sie verunsichert hatten, als die schmalen, langen Flure. Was April am meisten erstaunt hatte, war die Tatsache, dass alle, die dort waren, anscheinend tatsächlich etwas lernen wollten. Es gab kein Gekicher in den letzten Reihen, keine Zettelchen, die heimlich weitergegeben wurden – alle waren voll und ganz auf den Unterricht konzentriert gewesen. April hatte sich sogar davon anstecken lassen und das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl gehabt, wirklich am Unterricht teilzunehmen. Vielleicht waren ihre Mitschüler totale Streber, aber dafür, dass sie auf eine Schule für Hochbegabte gingen, waren sie noch verhältnismäßig normal. Und immerhin gab es dort Leute – und sogar Lehrer –, die schon mal etwas von Alix Graves gehört hatten.
    Natürlich war der ermordete Bandleader der wahre Grund dafür, dass sie noch einmal nach draußen gegangen war. Auch wenn sie sich eingeredet hatte, nur ein bisschen Luft schnappen und sich in der Nachbarschaft umschauen zu wollen, führten ihre Schritte sie automatisch zu dem Haus, in dem Alix Graves gewohnt hatte. Sie wollte Fiona zuliebe versuchen, noch ein bisschen mehr über die Umstände seiner Ermordung herauszufinden. Ihr ging es nicht darum zu sehen, wo er umgebracht wurde – falls die Fenster nicht gerade blutverspritzt waren, wäre davon sowieso nichts zu sehen –, aber sie war neugierig darauf, wie das Haus des Rockstars wohl aussehen würde. Vor ihrem inneren Auge sah sie ein großes, altes Gemäuer mit Buntglasfenstern und dämonischen Wasserspeiern, die auf dem Dach saßen und hinuntergrinsten. April Dunne, du hast definitiv zu viele Horrorfilme gesehen, dachte sie kopfschüttelnd. In Dartmouth Park gab es angeblich viele solcher riesiger düsterer Spukhäuser, aber soweit sie wusste, hatte Alix in einem ultramodernen Penthouse aus Glas und Stahl gewohnt. Sie hatte vor, ein paar Handyfotos zu machen und sie Fiona zu schicken. Vielleicht würde ihr das helfen, mit seinem Tod abschließen zu können und…
    Was war das?
    April blieb erschrocken stehen – sie war sich sicher, einen Schrei gehört zu haben. Mittlerweile war es fast ganz dunkel geworden. Nichts regte sich, und bis auf das entfernte Rauschen des Verkehrs auf der Hauptstraße am Fuß des Hügels herrschte absolute Stille. April neigte lauschend den Kopf und ließ ihren Blick langsam durch die Dunkelheit wandern. Rechts und links von ihr zeichneten sich bedrohlich die alten Friedhofsmauern ab.
    Da! Erneut zerriss ein Schrei die Stille der Nacht. Was war das? Ein Baby? Eine Katze?
    April ging zu dem schmiedeeisernen schwarzen Tor zurück, an dem sie vorhin vorbeigekommen war – dem Eingang zum Friedhof. Es war ihr schon auf dem Schulweg aufgefallen, weil dahinter ein merkwürdiges kleines weißes Häuschen stand, aber heute Morgen war das Tor verschlossen gewesen – jetzt stand es einen Spaltbreit offen. War es gerade eben auch

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