Die Schule der Nacht
üblichen Themen: Monster und Werwölfe. Sie runzelte die Stirn. Aber warum hatte er dann gesagt, sein Buch würde diesmal nicht von Monstern handeln? Weshalb sollte er lügen? Als sie zur nächsten Seite blätterte, lief es ihr eiskalt über den Rücken. Es standen nur zwei Worte darauf:
Highgate-Vampir.
Siebtes Kapitel
D er nächste Morgen fing alles andere als gut an. Es regnete in Strömen, und April wachte mit hämmernden Kopfschmerzen und dem schlimmsten Haardebakel in der Geschichte der Bad Hair Days auf – sie sah aus, als wäre sie über Nacht zum Mitglied einer Achtzigerjahre-Metal-Band mutiert. Außerdem verspürte sie ein unerklärliches Unbehagen, so als hätte sie einen Albtraum gehabt, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte. Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen, hatte am Frühstückstisch zwischen ihren Eltern mal wieder tiefste Eiszeit geherrscht. Eigentlich war es fast beeindruckend, wie es ihnen immer wieder gelang, in die knappe Zeitspanne zwischen Duschen und Frühstück noch einen handfesten Streit einzuschieben. Immerhin hatte sie es geschafft, das Notizbuch unbemerkt in das Arbeitszimmer ihres Vaters zurückzuschmuggeln, während die beiden sich angeblafft hatten. Anschließend war sie in die Küche gegangen, hatte gemurmelt, dass sie heute früh losmüsse, sich eine Scheibe Toast geschnappt und wollte sich gerade eilig zur Tür hinausschieben, als ihr Vater sie noch einmal zurückrief.
»Bei dem Regen fahre ich dich lieber zur Schule, April«, sagte er bestimmt. »Außerdem möchte ich nicht, dass du allein da draußen unterwegs bist, bevor wir nicht ein bisschen mehr über das wissen, was hier vor sich geht.«
Nachdem sie losgefahren waren, saßen sie erst einmal eine Weile schweigend nebeneinander und lauschten dem rhythmischen Schaben der Scheibenwischer. Es war offensichtlich, dass keiner von ihnen sonderlich erpicht darauf war, über den dunklen Schatten zu sprechen, der sich langsam über ihr Familienleben senkte. April hätte ihren Vater brennend gern auf die Sache mit den Vampiren angesprochen, aber sie konnte wohl schlecht sagen: »Ach übrigens, Dad, ich hab gestern Nacht in deinen Sachen rumgeschnüffelt und mich gefragt…« Sie verstand einfach nicht, warum er sie bezüglich des Themas seines Buches angelogen hatte. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass er über unerklärliche Phänomene wie die mysteriösen Kornkreise oder den Bigfoot schrieb. Was war dieses Mal anders? Sie betrachtete die von grauen Häusern gesäumte dunkle Straße, durch die sie fuhren, und seufzte. Alles wirkte so düster, langweilig und deprimierend, dass sie sich fast nach ein bisschen übernatürlicher Aufregung sehnte.
»Hör mal, April, ich muss mit dir reden«, sagte ihr Vater schließlich.
Sie sah ihn erschrocken an. Hatte er etwa ihre Gedanken gelesen?
»Dir wird nicht gefallen, was ich dir jetzt sagen muss, Liebes, aber…«
Oh Gott, nein! April heftete den Blick auf den Wagen vor ihnen, um ihren Vater nicht ansehen zu müssen. Sie wollen sich scheiden lassen! Gleich wird er mir sagen, dass Silvia eine Affäre mit ihrem Tennislehrer hat und ich mich zwischen ihm und Roger Federer entscheiden muss.
»…letzte Nacht ist noch ein weiterer Mord passiert.«
April wandte ihm ruckartig den Kopf zu . »Wo? Hier in Highgate?«, fragte sie.
William Dunne sah seine Tochter an und nickte. »Leider ja. Ein Kollege aus der Nachrichtenredaktion rief heute früh an, um die Schlagzeilen der aktuellen Ausgabe mit mir zu besprechen. Deine Mutter war alles andere als begeistert über die morgendliche Störung, aber das kannst du dir ja wahrscheinlich denken.«
Aha, daher also die eisige Stimmung beim Frühstück. April konnte sich vorstellen, dass es Silvia völlig unbeeindruckt gelassen hatte, dass das »alberne kleine Käseblatt«, bei dem ihr Mann arbeitete, seine Titelseite neu überarbeiten musste. Außerdem war sie absurderweise davon überzeugt, dass Morgenlicht ihrem Teint nicht guttat, und wurde jedes Mal fuchsteufelswild, wenn jemand es wagte, ihren Schönheitsschlaf zu stören.
»Aber hast du nicht gesagt, der Mord an Alix Graves hätte irgendwas mit zwielichtigen Geschäften zu tun gehabt?«, fragte April, die spürte, wie sich ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen ausbreitete.
»Das wurde anfangs auch angenommen«, antwortete ihr Vater und wandte kurz den Blick von der Straße, um sie anzusehen. »Aber möglicherweise gibt es zwischen den beiden Morden eine
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