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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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könnte, es handle sich hier um eine Schule für überprivilegierte neureiche Snobs – ein Eindruck, der sicherlich nicht ganz unberechtigt ist. Wir haben tatsächlich solche Schüler hier. Wenn Mummy und Daddy dafür bezahlen, dass ihre kleinen Lieblinge die bestmögliche Ausbildung erhalten, dann bekommen sie sie auch. Aber Sie sollten wissen, dass wir hier auch sehr viele Schüler haben, die alles dafür gegeben haben, aufgenommen zu werden, und weiterhin alles geben, um an der Schule bleiben zu können. Ihr einziges Ziel ist es, an einer der Eliteuniversitäten – Oxford, Cambridge, Harvard – aufgenommen zu werden, und wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, dann wird das… nun, sagen wir mal, Konsequenzen für sie haben.«
    »Konsequenzen?«
    »Ja, genau, Konsequenzen«, wiederholte Miss Holden, und für den Bruchteil einer Sekunde flackerte Wut in ihren Augen auf. Sie strich sich seufzend eine Locke aus dem Gesicht. »Sehen Sie, April, ich kenne Ihre Vorgeschichte. Im Moment interessieren Sie sich vielleicht vor allem für Jungs und Musik, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie ein intelligentes, hübsches Mädchen mit guter Vorbildung sind. Sie sind umfassend begabt, und ich bin mir sicher, dass etwas aus Ihnen wird, wenn Sie sich Mühe geben.«
    April blickte verlegen auf ihre Hände hinunter.
    »Aber wir haben hier Schüler, deren Talente begrenzter sind als Ihre. Diese jungen Menschen sind Genies auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet – Mathe, Physik, Biologie –, aber sie sind das, was man gemeinhin als Fachidioten bezeichnet. Das Mathe-Ass bringt im Englischkurs allenfalls durchschnittliche Leistungen. Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, was aus ihm werden würde, wenn er es wegen seiner Durchschnittsnote nicht schafft, an einer der renommierten Universitäten angenommen zu werden. Behalten Sie dabei auch die Auswirkungen auf das große Ganze im Auge – wenn diese Schüler nicht die Gelegenheit bekommen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, schaden wir dadurch in letzter Konsequenz der Gesellschaft, weil sie möglicherweise eines Tages ein Heilmittel gegen Krebs oder eine Technik, um auf dem Mond zu atmen, entwickelt hätten.«
    Miss Holden betrachtete April einen Moment lang nachdenklich. »Aber etwas ist noch wichtiger: Wir müssen dafür sorgen, dass sie nicht unter schlechten Einfluss geraten.«
    »Durch die Russen?«
    Miss Holden lachte. »Nein, nicht durch die Russen«, sagte sie mit einem nachsichtig tadelnden Blick. »Die sowjetische Bedrohung gehört endgültig der Vergangenheit an.«
    April spürte, wie sie feuerrot wurde, als Miss Holden auch schon wieder ernst wurde.
    »Aber Sie werden sicher nachvollziehen können, dass Schüler mit einem derartigen Potenzial sehr angreifbar sind. Es gehört zu unseren Aufgaben, sie alle davor zu bewahren, negativ beeinflusst zu werden.«
    April hielt das im ersten Moment für einen Scherz, aber ein Blick auf Miss Holdens ernste Miene belehrte sie eines Besseren. Warum haben Erwachsene eigentlich ständig Angst, wir könnten durch irgendwen negativ beeinflusst werden?, fragte sie sich, während sie die Perlenkette und Sandalen der Lehrerin musterte. Dabei siehst du nicht aus, als hättest du noch nie in deinem Leben gekifft, du Heuchlerin.
    »Und da wir gerade von schlechtem Einfluss sprechen… Wir betrachten es als wichtigen Bestandteil unserer pädagogischen Aufgabe, ein Auge darauf zu haben, welchen Umgang unsere Schüler pflegen.«
    April sah sie fassungslos an. Hatte sie ihr etwa hinterherspioniert?
    »Ich nehme an, Sie wissen, von wem ich spreche.«
    »Von Caro?«
    »Nein, nicht von Caro«, entgegnete Miss Holden ungeduldig. »Caroline Jackson mangelt es vielleicht manchmal an der nötigen Disziplin, und sie hat eine sehr spezielle Weltanschauung, aber ansonsten ist sie ziemlich harmlos. Ich spreche von den ›Schlangen‹ – wie sie so treffend genannt werden – und insbesondere von ihrer selbst ernannten Anführerin Davina Osbourne.«
    April traute ihren Ohren kaum. Wie konnte eine Lehrerin es wagen, ihr vorzuschreiben, mit wem sie ihre Zeit verbringen sollte und mit wem nicht?
    »Ich hätte eigentlich gedacht, Ihr Zuständigkeitsbereich würde am Schultor enden, Miss Holden«, sagte sie in herausforderndem Tonfall.
    »Oh nein, April, er reicht noch sehr viel weiter. Und ich weiß, dass ich Ihnen nichts sage, was Sie nicht selbst schon gespürt hätten: Wer sich mit Davina Osbourne einlässt, lebt gefährlich. Ich weise Sie lediglich

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