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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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stand.
    April bedankte sich mit einem Nicken und setzte sich. Das Buch hieß »Das heilende Wort in der Volksetymologie, in Mythen und in der Medizin«. Als sie das Stichwortverzeichnis aufschlug, hätte sie beinahe einen kleinen Freudenschrei ausgestoßen. Unter »V« fand sich der Eintrag: Vampire, S. 124. Aufgeregt blätterte sie zu der angegebenen Stelle:
    Vampirismus ist zu allen Zeiten stets mit Krankheiten in Verbindung gebracht worden. In Überlieferungen steht er oft sinnbildhaft für den Schwarzen Tod – von Untoten ist dort die Rede, die in entlegene Dörfer einfallen und alle Bewohner töten. Vermutlich wurden diese Geschichten erfunden, um den Menschen das scheinbar Unerklärliche nachvollziehbar zu machen. Einfachen Bauern fällt es leichter, an zombieartige Wesen zu glauben, die sich von Blut ernähren, als an unsichtbare Bakterien, die sich durch die Luft verbreiten. Allerdings gibt es für die vermeintlichen Hinweise auf einen Vampir – dunkle Verfärbungen an Hals und Handgelenken, Blutgier, Hypersexualität, ausgeprägte Eckzähne, Sonnenempfindlichkeit und Abneigung gegen Knoblauch – ganz rationale Erklärungen. Es sind Symptome von Tollwut und Porphyrie, um nur zwei der damals verbreiteten Krankheiten zu nennen, die zu den Gerüchten und Spekulationen über Vampirismus geführt haben könnten.
    Enttäuscht stellte April das Buch wieder ins Regal und kehrte zur Ladentheke zurück.
    »War es nicht das, was Sie gesucht haben?«
    »Nicht wirklich.«
    »Ich nehme an, Sie suchen etwas über den Highgate-Vampir?«
    Als April erstaunt den Blick hob, ließ Mr Gill sich zu einem winzigen Lächeln herab. »Dafür muss man kein Sherlock Holmes sein«, sagte er. »Sie haben nach Informationen über den Friedhof und nach alten Mythen gefragt. Da lag die Vermutung recht nah.«
    »Oh«, sagte April ein bisschen verlegen. »Ja, Sie haben recht. Ich dachte, ich würde hier bei Ihnen vielleicht ein Buch darüber finden.«
    Mr Gill runzelte unwillig die Stirn. »Alles hanebüchener Unsinn, nichts, was ich in meinem Geschäft verkaufen würde.«
    »Verzeihung?«
    »Die Bücher über den Highgate-Vampir sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind«, erklärte er. »Aber wenn Sie sich wirklich dafür interessieren: Hier oben ist alles gespeichert.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
    Aprils Augen weiteten sich. »Wirklich?«
    »Wenn sich etwas so Aufregendes praktisch vor der eigenen Haustür ereignet, vergisst man es sein ganzes Leben nicht mehr. Der Vorfall trug sich in den frühen Siebzigerjahren zu, müssen Sie wissen. Ich bin mir sicher, Marjorie – Mrs Townley – erinnert sich noch genauso gut daran wie ich.«
    »Können Sie mir erzählen, was damals passiert ist?«
    Mr Gill deutete auf einen Hocker vor der Ladentheke, und April setzte sich.
    »Nur damit wir uns richtig verstehen – ich erzähle Ihnen das alles nur wegen unserer, ähem, gemeinsamen Bekannten Mrs Townley«, sagte er und schenkte ihr aus einer schottengemusterten Thermoskanne eine Tasse Tee ein.
    April nickte.
    »Nun, in den Siebzigerjahren war der Highgate-Friedhof in einem ziemlich kläglichen Zustand. Ich nehme an, dass viele Hinterbliebene der… äh… Friedhofbewohner selbst gestorben waren und sich nicht mehr um die Gräber kümmern konnten, jedenfalls waren die meisten von Unkraut überwuchert und völlig vernachlässigt. Schon bald entwickelte der Friedhof sich zu einem Treffpunkt für zwielichtige Gestalten, Hippies und dergleichen, und es kam zu einigen Vorfällen. Gräber wurden geschändet und sogar Särge geöffnet. Eines Tages behauptete ein Bursche, er hätte nachts eine »geisterhafte Erscheinung« gehabt, und schaltete eine Anzeige in der Lokalzeitung, in der er nach Menschen suchte, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Das löste natürlich eine wahre Flut an Zuschriften aus, und es meldeten sich unzählige Leute, die behaupteten, dort ebenfalls Übernatürliches erlebt zu haben. Allerdings schienen die Ereignisse nichts miteinander gemein zu haben, und es war kein Zusammenhang zu erkennen: Geister, Blutspuren, tote Füchse…«
    »Tote Füchse?«, unterbrach April ihn.
    »Ja, es ging damals das Gerücht um, dass auf dem Friedhof tote Füchse mit zerfetzter Kehle gefunden worden seien. Aber wahrscheinlich handelte es sich dabei lediglich um ein einziges Tier, das von einem Hund getötet wurde, und die Zahl erhöhte sich stetig, je öfter die Geschichte erzählt wurde. Interessant ist es

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