Die Schule der Nackten
und schwarze Pfützen bei Nacht. Ich stolperte mit ihr, halb getragen, halb gezerrt, zu einem gottverlorenen, verfallenen Lagerschuppen mit herausgeschlagenen Scheiben, erbärmlich mit Pappen abgedeckt und verkleistert. Sah die schäbigen Matratzenlager auf Betonfußboden, die rote Beleuchtung, an Kabeln von der Decke hängend. Ich roch die Matratzenfüllung, die rostige Waschanla ge und die vierundzwanzig ungelüfteten Leiber, plus Veranstaltungsleiter, plus Heiligem Geist.
Der roch besonders stark, der Heilige Geist, von dem sie sich anfassen ließ – – ja, man glaubt es nicht, unter den entsetzlichsten hygienischen Verhältnissen in der dritten, hintersten Lagerhalle eines vom Abbruch bedrohten Werksgeländes auf offener Rampe hatte sie sich anfassen lassen. Immer und immer wieder, weil es ja ein Ritual war, kein Mann.
Zwölf Sitzungen waren es, und der Heilige Geist war in wechselnder Gestalt, in Gestalt von schweißigen, grauen, klebrigen Händen zwölfmal aufgetreten. Im Chemiefaserwerk Siegen-Ramstedt, das wegen überalterter Produktionsmethoden stillgelegt war. Dort hatte sie ihr Heil gefunden?
«Ich kann es nicht glauben!”
«So bin ich.»
«Welch ein Mist», rief ich aus.
Es war aber die Gläubigkeit, mit der sie mir den Mist vorgetragen hatte. Der Ernst und die Heiterkeit. Und die Hingabe, die mich so sehr entsetzt hatte, und die Kerzen im Bad, die ganz besonders.
«Zu dir gehen wir auf keinen Fall», verkündigte ich.
Davor bewahre uns ein gütiges Geschick.
«Diesmal gehen wir zu mir, wo ich dich auf erstklassige Weise verführen werde.»
Sie lachte (na, da lacht sie doch wenigstens).
Zum Abschluß gab ich ihr noch einen Klaps auf den Po, als Sie gel gewissermaßen.
– – –
«Und das, lieber Alex, wirst du nie wieder tun!!! «
*
Es gibt im Jamahatra-Epos ein Panzerweib. Es ist ein himmlisch schönes Wesen in der tänzerischen Pose einer Yakti mit ständiger Geste der Einladung. Ihre Fingerspitzen sind weit aufgebogen, ihr Blick verzückt, ihr Atem Gold und ihr Geist ein Rosengarten. Bedeckt aber ist dieses Wesen mit einem Panzer von kinderhandgroßen Schuppen aus Hörn, jede mit einem Stachel an der Spitze versehen.
Shiva kann den Panzer nicht durchdringen, niemand kann es, nichts, außer dem Öl des Ginkabaumes - das ist der, unter dem man sitzt, und man hat vergessen, daß man dort sitzt.
Es ist eine wollüstige Geschichte, wie ich mich erinnere. Wie Shiva das Öl mengt und mischt und unter die Lüfte mogelt, wie es riecht, wie es wunderbar ölig die Sinne des gepanzerten Weibes umschmeichelt, wie es Hörn und Stacheln aufweicht und die Schöne, die Wunderschöne befreit. Eine schlüpfrige, glatte Geschichte ist es, und eine sehr nackte.
10
Die Verführung erster Klasse beginnt mit dem Eintritt ins Haus, Gudrunstraße sieben.
Am Tage hat es ein durchaus schönes Entree, oval, moosgrün ausgeschlagen, mit einer in sanftem Bogen nach oben ziehenden Mahagonitreppe, durchaus nobel. Aber nachts! Nachts verwandelt es sich, dank einer ausgeklügelten Beleuchtung, in eine üppige, goldgrüne Grotte. Überall habe ich verborgene Lichtquellen angebracht, hier eine holländische Landschaft beleuchtend, dort einen Hummer mit Lorbeerblatt, dort eine auf dem Boden stehende Tungvase - eine der großen blauweißen mit dem Tonring, von denen ich vier besitze.
Ich habe sie genau berechnet, die beleuchteten Buchrücken, sechs Meter Goldschnitt, und die beleuchteten Samurai-Rüstungen - eine auf dem mittleren Treppenabsatz, eine auf dem oberen, den Besucher nach oben führend. Oben das Bad ist ganz und gar in Bernstein gehalten «amber», mit einem weißen Marmorfußboden, seinerseits beleuchtet. Dazu die Anordnung der Halogenlämpchen, die auch das letzte Fältchen beseitigen, falls sich jemand das Näschen pudern möchte. Keine Dame sieht dort älter aus als zwanzig und verhält sich auch so.
Vorerst befinden wir uns aber noch in der unteren Etage, wo ich hinter dem Entree in einer Barecke meine Spezialitäten Margueritas, Coco Batidas, Caipirinhas kredenze - mit Blick in das intime Speisezimmer: Kerzen, schwarzes Geschirr, aubergine-farbene Servietten auf der Mahagoniplatte, sehr intim. Und über allem, kaum merklich, eine leise pochende Musik. Oh, die ist sorgfältig berechnet, etwas Brasilianisches vielleicht - ich habe da einen Bossanova auf Lager, einen heißen Pulsschlag mit Tropenvögeln im Hintergrund. Und was die Atmosphäre angeht, ziehe ich den nach meinem Geschmack zu
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