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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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süßlichen indischen Räucherstäbchen die intelligenteren chinesischen vor. Das heißt, in diesem Fall, nach reiferlicher Überlegung verzichte ich ganz darauf, zerstäube statt dessen ein wenig «Calêche», ein wenig Lederpolster aus der Epoche - es ist wichtig, daß es nicht mit dem Menü kollidiert.
    Also, das Menü nehme ich ernst. Ich koche selbst, und ich koche sehr gut, habe da ein paar Grundregeln, zunächst: Es gibt wenig, die Dame nicht vollfüllen! Eher noch etwas Platz für ein Himbeerröllchen lassen. Kreolische Gumbosuppe zum Beispiel koche ich vorzüglich, mit Okra. Muß aber auf den Partner abgestimmt sein.
    Heute will ich mit Kaviar beginnen. Hört sich zwar wie ein Gemeinplatz an, aber, sagen wir, zwei Sorten auf frisch gemachten Blinis mit etwas Creme fraiche und Zitrone, dazu ein Chablis als Auftakt ist zumindest nicht falsch. Geeiste Cerviche, Hummercreme? Auch gut. Doch meine Erfahrung sagt: Kaviar.
    Als hors d’œuvre hätte ich die Wahl zwischen Wildpastete Robert, Smörebröd Olaf oder winzigen Brüsseler Medaillons in Aspik, oder ich lasse sie weg, vielleicht zu schwer. Lieber eine leichte Suppe: Wie gesagt, Gumbo wäre nicht schlecht, ich halte sie immer vorrätig, für Juliane aber werde ich eine leichte Krebsbrühe machen, mit murmelgroßen Hechtklößchen - ich darf nicht vergessen, daß sie sonst ausschließlich von Körnern lebt.
    Danach denke ich an Schwertfisch. In einer raffinierten OrangenRosinen-Sauce vielleicht. Und als Hauptgang: Wildente Amersfort, da bin ich mir sicher! Die mache ich ganz phantastisch, sie ist gefüllt mit Malagatrüffel und hat eine Sauce von halbsüßem Schlagrahm, Zitrone, Wacholder, Ingwer und Pfeffer. Dazu trinkt man einen Lafitte (trotz des Pfeffers, oder gerade deshalb).
    Es ist phantastisch.
    Ich habe es mir lange überlegt. Ehrlich gesagt, bin ich dann doch nicht dazu gekommen, selber zu kochen. Habe statt dessen ein kleines Menü (Nr. 6) aus dem «Ganymed» herüberschicken lassen, ich weiß nicht mehr genau, was es war. War aber auch nicht schlecht.
    Den Nachtisch hatte ich übrigens wirklich selber bereitet: Kainak - das sind gedünstete Quitten in einem Rosensirup (kann man fertig bei Schlotthammer kaufen), dazu hatte ich hauchzart geschnittene, sechs Wochen in Cognac eingelegte Ingwerwurzel gegeben.
    Auch phantastisch.
    Das Essen gestaltete sich dann entsprechend anregend und, wenn man will, aufregend. Juliane war in einer tangofarbenen dünnen Samtbluse erschienen, die hinten ganz tief ausgeschnitten war, dazu trug sie einen langen schwarzen Rock, mehr ein Chiffontuch, mit einem schräg verlaufenden Schlitz bis zum Knie, sehr verführerisch, irgendwie überlappend. Ich versuchte aber, jede grobe Berührung zu vermeiden, auch wenn ich nicht umhin konnte, die Glätte des Materials zu bewundern, ich meine, es fühlte sich gut an. Geleitete die Dame sodann mit einigen Schwüngen durch die Gemächer. Ohne gröblich anzufassen, wohlgemerkt. Mehr locker tänzerisch, nachdem wir ein, zwei, wie soll ich sagen, gehaltvolle Caipirinhas an der Bar genossen hatten (mache ich sehr gut), und das alles zum dahinpochenden, lispelnden «Desafinado». Man versteht schon. Zufällig entdecke ich mich einmal im Spiegel, wie ich mich gerade über sie beuge, und entdecke dieses Gesicht. Also ich habe es sofort zurückgenommen (dieses Gesicht). Der Spiegel war so raffiniert angebracht, daß er die eine Barhälfte um die andere verlängerte, «… desafinado saudade vem correndo…»
    So schritten wir zu Tisch. ….
    Essen ist eine sinnliche Tätigkeit. Es sind die tätigen Reiz- und Bitterstoffe, die Artischocken, Rucola, Sellerie, Chicoree, aber auch die Meeresprodukte, Muscheln, Krusten- und Schalentiere, die hier erotisieren sollen. Dazu echter Pfeffer, sanft brennender Ingwer und Curcuma. Ganz unterschwellig, versteht sich, nach bewährtem Rezept (schon bei Herodot werden aphrodisierende Speisen erwähnt).
    Dementsprechend blickten wir uns fest in die Augen, während wir aßen, sie mit einem Malagatrüffel im Mundwinkel, ich mit einem Häppchen Wildente Amersfort auf der Zungenspitze - ich vergaß, wir hatten ja Menü Nr. 6, weiß nicht mehr genau, was es war, war aber auch interessant. Worüber sprachen wir: über das Karma. Es ist ein wundervolles Thema bei Tisch. Juliane berichtete in verhangener Stimmlage, daß sie sich tags zuvor einer Astrologin und Kartenleserin anvertraut habe, die unsere Stellung, unser beider Stellung, so gedeutet habe, daß wir schon

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