Die Schule der Nackten
früher einander besessen hätten. «Besessen.» Im Haus des Mars und im Haus des Merkur. Und das alles hörte sich sehr gut an, bis ich nun meinerseits diese unselige Geschichte von den Nacktkrabben erzählen mußte. Gott allein weiß, wie ich darauf kam - wahrscheinlich durch einen einsamen Krebsschwanz in der Suppe:
Die «Softshell Crabs» von Louisiana also. - Dort gibt es im tiefen Süden ein schmackhaftes Gericht, das sich, übersetzt, Weichpanzerkrebs nennt. Ich habe es gegessen, und es ist mir gut bekommen, obwohl mich seine Entstehungsgeschichte hätte erschrecken sollen. Diese Krebse nämlich legen zu einer bestimmten Jahreszeit ihre Panzer ab, sitzen dann drei Tage lang schutzlos im Fluß, bis ihnen ein neuer gewachsen ist. Während dieser Zeit zutiefst verletzlich. Das Männchen aber - und hier kommt die Liebe ins Spiel -, selbst noch ungehäutet, umklammert das nackte Weibchen fest und allseitig, um es mit seinem Panzer vor Gefahren zu schützen, drei volle Tage lang.
Ein ritterliches und auch hocherotisches Unternehmen.
Die Tragik allerdings besteht darin, daß in der zweiten Phase, wenn das Männchen nun seinerseits den Panzer abwerfen muß, es vom Weibchen durchaus nicht umfangen und durchaus nicht beschützt wird, somit auf unserem Teller landet. Ja, das schien eine sehr komische Geschichte, und eine nackte. Ich meine, den Teller voller nackter Männchen, während fern im Schilf sich die steinharte Witwe ihres Lebens freut. Nicht so gut?
Nicht so geeignet in dieser Situation. Ich glaube, das Thema hatte mich um einiges zurückgeworfen. Erst bei einem ausgezeichneten Dessertwein, einem Haut Souterne 1994 aus D’Yquem konnte ich den Fehler korrigieren. Ich habe Juliane den langen Bogen der Jugendstiltreppe hinaufgeschmeichelt. Sie wollte sich gleich unten ausziehen, ich brachte sie aber barfuß über die Stufen, schmeichelte ihr beim Hinaufsteigen auf dem dicken moosgrünen Teppichbelag Stück für Stück ihrer Kleidung ab, Strümpfe trug sie keine.
Oben sind es noch acht Schritt. An der Samureirüstung vorbei, mit dem sichelförmigen «Mon» des Togugava-Geschlechts, bis zur Schlafzimmertür zehn Schritt. Man kann auch zwanzig einschmei chelnde Schritt daraus machen. Und auf diesen zwanzig fühlte sie sich bemüßigt, mir den Jörg zu beichten.
«Wer um Himmels willen ist Jörg?»
Ein neuer Tantramann.
«Der interessiert doch jetzt gar nicht», rief ich aus, «was ist denn das für ein Jörg!!! «
Mein Schlafzimmer ist ein Volltreffer. Es ist eine Schlaflandschaft, der Teppichboden ist weiß, steigt in Stufen hinauf und hinab, bildet Plattformen, von denen das Bett selber eine Plattform darstellt, man kann praktisch an jeder beliebigen Stelle hinsinken und schlafen. Der größte Treffer aber ist meine Bananentapete: Riesige Bananenblätter in blaugrünen Tönen unter zimtfarbenem Himmel. Sehr eindrucksvoll. Dazu habe ich zwei Bananenstauden am Fenster aufgestellt, lebend in Kübeln und bis zur Decke reichend. So daß das Licht tropisch, etwas schwül, wenn man so will, lebendig grün ins Zimmer fällt. Bereit zum Hinsinken. Und nun kommt sie mir mit diesem Jörg – – –
Liebe ist Erkennen, Begreifen, ein formender Prozeß, Liebe ist Schöpfung. Unter den Händen des Liebenden entsteht der Körper der Geliebten, der Liebeskörper, er formt ihn, er schafft ihn, er erkennt und begreift ihn, so wie Jakob die Rahel.
Da sind die Schultern mit den Schulterkugeln, wie gemacht, sich in meine Hände zu formen, da ist der feinknochige Rücken, der sich anfühlt wie ein Katzenleib, sich biegend und streckend und sich um die Achse windend. Die langgestreckte Delle, in der ich mit den Fingern entlangstreife wie im Tanz. Und da ist die Schmalheit, die unerhörte Schmalheit, die ich umspanne, ganz, so daß sich meine Finger berühren, so schmal ist sie.
Und dann.
Unter den Künstlerhänden.
Die Ausladung!
Ja, die ist völlig unbegreiflich, das heißt, ich begreife sie ja, ich tue es, das ist das Unbegreifliche. Ich weiß, wie sie aussieht, die königliche Wölbung, oft genug hat sie mir den Atem genommen, aber wie sie sich anfühlt! Wie sie widersteht und nachgibt, die königliche Festigkeit, wie sie unter meinen Händen federt. Und was meinen Atem angeht, so ist er mir diesmal ganz weggeblieben.
Alabaster und Eselsmilch.
Mondöl und die Venusischen Kelche.
Die Nacht von Ninife!!! Meine Nacht von Ninife: «Ja soll ich denn nun ganz von dieser Erde geh’n?» (Kap V, Vers 68, Hebräer)
Unter
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