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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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herumliefen, gesenkt hatte. Wir stellen uns auf. Und dann Schütteln, Schütteln, Schütteln: Kundalini-Schütteln. Unterleib locker, locker. Arme locker, locker. Beine locker machen. Brust und Becken, vor allem das Becken, und nicht nachlassen!
    Später gab es noch ein Abendbrot.
    Es war ein ganz passables Körneressen, ungesalzen, mit gurkenähnlichen Gebilden, kein Fleisch, dazu erste Gespräche, die an mir etwas vorbeigingen: Da habe also jemand in Soltau eine Intensivgruppe gemacht, die hast du gemacht? Die habe er sogar wiederholt. Und die Waldgruppe, wir haben eine Waldgruppe gemacht, letztes Jahr im Odenwald, abends waren wir so absolut fertig, daß wir hätten sonstwas futtern können. Jetzt nehme ich mir noch was. Ich habe mir dann auch noch was genommen, und es war, na ja, man kann sagen, es war ganz passabel, mit einem etwas eigenartigen Geschmack allerdings. Pferd? Ich hätte ja auch gern etwas zur Unterhaltung beigesteuert, aber ir gendwie machte es sich nicht. Juliane saß mit ihrer neuen Freundin Friede auf der Treppenstufe.
    Noch später zeigte man uns dann unsere Quartiere, die sich als «einfach» erwiesen. Im späten Schein der Kerzen. Mehrere Räume oder Kammern waren mit Matratzen ausgelegt, wo man zu dritt, viert oder noch mehreren schlafen konnte, Männer und Frauen getrennt. Das heißt, für Paare gab es auch Zweierkammern, ich habe sie nicht zu sehen bekommen, da wir ja nicht als Paar auftraten. Das heißt, kurz vor der Trennung - beim Essen hatten wir immerhin fast drei Worte gewechselt - besann sich Juliane, wurde anscheinend von einem Gefühl überwältigt, denn an der Ecke zum Frauentrakt, einer unverputzten Stelle, wo anscheinend kürzlich etwas angebaut worden war, lehnte sie sich plötzlich gegen mich: Worte sind überflüssig, das weißt du doch (wenn die Sinne bis zum Rand angefüllt sind). Genauer gesagt, ich wußte es eigentlich nicht, wo dieser Stimmungsumschwung so plötzlich herrührte. Vielleicht war es die Unwiederbringlichkeit der Trennung, der Trennungsschmerz, da wir uns nun in unsere separaten Trakte zu begeben hatten.

    *

    Ich bezog mein Quartier zusammen mit dem Naturmenschen Rudi und dem Ehemann Fetter, einem unruhigen Schläfer, wie sich herausstellen sollte. Zunächst irrit ierte aber der Naturmensch, der, nachdem er sein Hemd und ein eigenartiges Kittelleibchen aus Drillich abgelegt hatte, sich auf den Kopf stellte, und zwar so, daß er eich mit angewinkelten Beinen von der Wand abstützte. Es schien das seine Routine vor dem Schlafengehen zu sein, und ich gebe zu, es war beeindruckend.
    Überhaupt herrschte eine generelle Einstimmung vor, nebenan wurde herzlich gelacht, es polterte etwas zu Boden, ein Hundegebell war hörbar (imitiert?), und als ich schließlich mit meiner Zahnbürste zum Waschraum ging, hatten sich dort in der Duschecke erst zwei, dann drei nackte Damen eingefunden, alle in Hochstimmung und Seifenschaum, und dann noch ein nackter Mann. Aber das waren sicherlich alles erfahrene Teilnehmer, die sich hier wiedertrafen und fröhlich miteinander waren, und ein bißchen Arroganz gegenüber uns Anfängern (mit Zahnbürste) war wohl auch im Spiel. Übrigens entdeckte ich unseren schönen Hans unter dem Seifenschaum, mit dem ihn die Damen unter viel Gelächter eingelassen hatten.
    Die Juliane entdeckte ich Gottseidank nicht.
    «Ich kenne dich.»
    Als ich, aus dem Waschraum kommend, um die unverputzte Ecke bog - diesmal von der anderen Seite her - lehnte dort der Pradi an der Wand, als ob er auf mich gewartet hätte.
    «Ich kenne dich.»
    «Natürlich kennst du mich, Pradi, ich bin der Alexander.»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Nein, ich kenne dich!»
    – – –
    Und dann vollführte er eine Geste: Er legte die Hände mit aufwärtsgerichteten Handflächen quer über den Bauch. Wie einen Sperrgürtel. Blickte mich dabei aufmerksam an, als ob ich wissen müßte, was das bedeutete.
    «Du bist ein Mhata, ein Mann des Oberen.»
    Blickte mich immer noch aufmerksam an. In der Beleuchtung der einzelnen Glühbirne an der Mauerecke sah seine Gesichtshaut grob gekörnt wie Sandstein aus. Dann senkte er die Hände und zog sie ein wenig auseinander, als ob er etwas abschneiden wollte.
    «Bist du sicher, daß du bleiben willst?»
    «Nie so sicher gewesen», sagte ich und wußte plötzlich, wo ich diese Geste schon einmal gesehen hatte, es war mir eingefallen: Eine Tanzfigur auf einem Sandsteinrelief in der Mauer von Khor, der Tänzer zieht die Handkanten quer über den

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