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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dieser Spitze der Insel zu einer Zeit gesäet, wo Salomon vielleicht den Tempel von Jerusalem erbaute, der niemals wieder aus seinen Ruinen auferstanden ist. Die größten mochten gegen dreihundert Fuß messen, die kleinsten zweihundertfünfzig. Einige, welche vom Alter hohl geworden waren, zeigten an ihrem Fuße einen gewaltigen Thorbogen, durch den ein Reiter bequem in das Innere hätte gelangen können.
    Godfrey verstummte vor Verwunderung angesichts dieser natürlichen Phänomene, welche im Allgemeinen nur in Höhen von fünf-bis sechstausend Fuß über dem Meere angetroffen werden. Er meinte, dieser Anblick allein wäre die Reise hierher werth gewesen. In der That läßt sich nichts mit diesen gewaltigen Säulen vergleichen, die sich ohne bemerkbare Verminderung ihres Durchmessers von der Wurzel bis zur ersten Gabelung erheben. In der Höhe von achtzig bis hundert Fuß über der Erde zertheilen sich die cylindrischen Schäfte dann in starke Zweige, welche noch so dick sind, wie sonst ganz enorme Bäume, und die also einen ganzen Wald in der Luft tragen.
    Eine dieser »
Sequoia gigantea
« – es war eines der größten Exemplare der Gruppe – zog vor Allem die Aufmerksamkeit Godfrey’s auf sich.
    Am Fuße ausgehöhlt, zeigte der Baum eine vier bis fünf Fuß hohe Oeffnung, durch welche man leicht in den Innenraum gelangen konnte. Der Kern des Riesen war verschwunden und der Splint als zarter, weißlicher Staub verstreut. Doch wenn der Baum also auf seinen mächtigen Wurzeln nur mittelst der festen Rinde ruhte, so konnte er in dieser Weise jedenfalls noch manches Jahrhundert hindurch leben.
    »In Ermangelung einer Höhle oder Grotte, rief Godfrey, bietet sich hier eine vortreffliche Wohnung, ein hölzernes Haus, ein Thurm, wie es in bewohnten Ländern keinen giebt. Dort sind wir unter sicherem Schutz. Kommen Sie, Tartelett, kommen Sie!«
    Der junge Mann zog seinen Begleiter mit sich fort und führte ihn in das Innere der Sequoia.
    Der Boden war hier mit seinem vegetabilischen Staube bedeckt und dessen unterer Durchmesser betrug wenigstens zwanzig englische Fuß. Die Höhe, bis zu welcher sich die Decke erhob, ließ sich infolge der Dunkelheit nicht abschätzen. Aber kein Lichtstrahl trat durch die Rindenwand dieser Art Höhle. Hier existirten keine Sprünge, keine Gesteinsgänge, durch welche Regen oder Wind hätten Eingang finden können. Gewiß befanden sich unsere beiden Robinsons hier unter ganz erträglichen Verhältnissen, um ungestraft allen Unbilden der Witterung zu trotzen. Eine Höhle wäre weder fester, noch trockener oder abgeschlossener gewesen. In der That, es wäre schwierig gewesen, etwas Besseres ausfindig zu machen.

    »Nun, Tartelett, was meinen Sie zu dieser natürlichen Wohnung, fragte Godfrey.
    – Ja, wo ist denn der Schornstein derselben? erwiderte Tartelett.
    – Ehe wir einen Schornstein beanspruchen, antwortete Godfrey, warten Sie wenigstens, bis wir uns Feuer verschafft haben!«
    Das war gewiß so logisch als möglich.
    Godfrey nahm die Umgebung der Gruppe in näheren Augenschein. Wie schon gesagt, erstreckte sich die Wiese bis zu diesem ungeheueren Gehölz von Mammuths, welches die Grenze derselben bildete. Der durch den grünen Teppich sich hinschlängelnde Bach verbreitete inmitten des etwas warmen Landes eine angenehme Frische; Sträucher verschiedener Art, wie Myrthen, Mastix und daneben eine große Menge jener Manzanillas, welche immer hinreichenden Vorrath an wilden Aepfeln zu liefern versprachen, erhoben sich längst seines Uferrandes.
    Unfern, auf etwas ansteigendem Boden des Wiesenbereichs, grünten noch andere Bäume, wie Eichen, Buchen, Sycomoren und Zirbel- (oder Nessel-) Bäume; doch obgleich auch diese groß waren, erschienen sie nur wie Gebüsche gegen diese »
Mammoths-Trees
«, deren lange Schatten bei aufgehender Sonne sich bis zum Meeresstrand verlängerten. An der entgegengesetzten Seite der Wiese bildeten noch andere üppige Gebüsche Bogenlinien, und Godfrey nahm sich vor, am nächsten Tage darüber nähere Kundschaft einzuziehen.
    Wenn die Gegend ihm gefallen hatte, so schien sie auch den Hausthieren nicht zu mißfallen. Agutis, Ziegen und Lämmer hatten von dem Gebiete Besitz ergriffen, das ihnen Wurzeln genug zum Benagen und Gras zum Abweiden mehr bot als sie bedurften. Die Hühner pickten munter nach Körnern oder Würmern am Rande des Baches – kurz es entwickelte sich schon ein fröhliches Treiben, hier liefen die einen, dort hüpften die anderen hin und

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