Die schwarze Hand des Todes
Jamaika, Malabar und dem Jemen an.
Die Metzgerei Ferris am Marktplatz hatte neben dem üblichen Sortiment regulär auch Wild im Angebot. Vor dem Schaufenster baumelten für gewöhnlich neben ein, zwei Tauben oder einem Hasen auch ein paar Fasane. Es kam vor, dass Touristen daran Anstoß nahmen und sich im Laden über die unnötig grausame Behandlung und obszöne Zurschaustellung von Tieren ereiferten.
Ben Cooper hatte seinen freien Tag genützt, um Helen Milner zum Mittagessen auszuführen. Sie war recht einsilbig gewesen, hatte sich wohl nach dem Befinden seiner Mutter erkundigt und ob mit Matt, Kate und den Mädchen alles in Ordnung war, doch er selbst oder seine Arbeit schienen sie zumindest im Augenblick nicht sonderlich zu interessieren.
Die Unterhaltung quälte sich dahin, und Cooper brachte kaum einen Bissen herunter. Der Anblick von Helens kupferrotem Haar erinnerte ihn an den Sommer – und an seine Hoffnung, dass jener Glanz auch ein wenig Licht in sein Leben bringen würde. Er hätte es bitter nötig gehabt, damals, als alles aus dem Ruder zu laufen schien, seine Mutter in die Schizophrenie abzudriften drohte und er mit einem Mal auch noch Diane Fry am Hals hatte, dieses lästige Stachelgestrüpp, das sich nicht abschütteln ließ. Helen war ihm als rettender Ausweg aus der ganzen Misere erschienen.
Damals, im August. Seither hatten die Blätter im Wald von Eden sich verfärbt, kupferrot und golden und leuchtend gelb. Und dann waren sie abgefallen.
Nach dem Mittagessen gingen sie zum Eden hinunter. In den Seitenstraßen standen die Häuser dicht beisammen wie ein Rudel tratschsüchtiger Nachbarn, die einander in die Fenster glotzten und sich nichts vormachen konnten. Wo die vom Regen schlüpfrig gewordenen, braunrotgrün glänzenden Stufen auf den Fluss mündeten, sammelte sich feuchtes Laub im Gully. Eine trübe Brühe schwappte über die Promenade.
Helen erzählte Cooper von ihren Erstklässlern, und er begnügte sich damit, ihr zuzuhören. Eigentlich hatte er sich bei ihr entschuldigen wollen, weil er sie am Sonntag versetzt und auch sonst schmählich vernachlässigt hatte. Doch da offensichtlich keine Rechenschaft von ihm verlangt wurde, schweifte er in Gedanken zeitweilig ab. Die detaillierte Schilderung der nächtlichen Attacke auf Cal und Stride las sich übel genug, aber seine Phantasie malte ihm weit Schlimmeres aus. Zwei typische Opfer: unschuldig, nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Er hatte es gewusst – und sie trotzdem nicht im Mindesten zu schützen vermocht.
Noch etwas anderes ging ihm durch den Kopf. Was sollte mit Mark Roper und Owen Fox geschehen? Marks Mutmaßungen klangen hirnrissig, trotzdem würde er sie weitergeben müssen. So verrückt es war, er hätte gern mit Diane Fry darüber gesprochen. Und er hätte gern zu dem Team gehört, das die Attacke der selbst ernannten Bürgerwehr auf sie aufklären sollte. Fry und Taylor hatten bereits Berichte geliefert, Cal und Stride wurden zurzeit befragt, aber der Tatort selbst war ein einziger Regensumpf und bot keinerlei Aufschlüsse. Einem Angriff auf eine Polizistin musste hart nachgegangen werden; doch der Gedanke, dass damit die ohnehin spärlich besetzte Division noch weiter ausgedünnt wurde, vergällte Cooper seinen freien Tag. Andererseits war aber auch kein Geld in der Kasse, um Überstunden zu bezahlen.
Helen holte aus ihrer Schultertasche einen Packen Fotos, den Cooper ratlos beäugte.
»Die Bilder von den Kindern«, sagte sie.
»Ach ja, richtig.«
Sonntags wimmelte es am Fluss von Familien, die zum Entenfüttern hierher kamen. Im Wasser herrschte heller Aufruhr. Stockenten und Blesshühner balgten sich an der Uferböschung um die versprengten Bröckchen, derweil ein Möwenschwarm missmutig kreischend dicht über der Wasseroberfläche Lande- und Startmanöver übte.
Sie setzten sich neben ein ältliches Ehepaar auf eine Bank am Flussufer. Die Fotos waren wenig mehr als schwache Schnappschüsse in einer fatalen Kombination aus Kunst- und Blitzlicht.
»Das ist Carly, mein kleiner Liebling.« Helen zeigte auf ein ungefähr sechsjähriges Mädchen mit einem nachlässig geschnittenen blonden Pony und klaffenden Zahnlücken.
»So was von schnuckelig. Sie zeichnet für ihr Leben gern und schenkt mir alle ihre Bilder. Schau dir mal das hier an.«
Das Blatt, das sie Cooper präsentierte, war grob skizziert, dafür sorgfältig ausgemalt: winzige Figuren mit Strichärmchen und Kleidung in verschiedenen Farben, daneben
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