Die schwarze Hand des Todes
jähem Erschrecken über Furcht zu Zorn. Ein Wutschrei drang aus ihrem Mund.
Plötzlich herrschte ein wildes Durcheinander aus ineinander verkeilten Leibern, begleitet von Gebrüll und Gekreische. Fry verlor den Überblick, und soweit sie es beurteilen konnte, ging es den Frauen und den Polizisten nicht anders. Zu viele Menschen, die hin und her stolperten und sich anrempelten wie zu dicht zusammengetriebenes Vieh.
Dann tat sich eine Lücke auf. Mittendrin stand Maggie, ein Messer in der Hand. Blut rann von der Klinge zum Heft und tropfte auf ihre Finger, doch Maggie achtete nicht darauf. In Gedanken schien sie weit fort zu sein, vielleicht irgendwo im Ringham Moor, in einer Nacht, die sie fast aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Sie bemerkte weder die verstörte Menge um sich herum noch die Schreie der Frauen oder das Bellen der Hunde. Bemerkte nicht einmal Todd Weenink, der vor ihr auf dem Betonboden lag.
36
Die Stimme aus dem Funkgerät klang zunehmend abgerissen; sie forderte einen Krankenwagen und Verstärkung durch Polizeibeamte mit Schutzausrüstung, Hundeführer und Sicherheitskräfte zur Verhaftung einer gewalttätigen Person.
Ben Cooper beugte sich zu dem Dienst habenden Sergeanten.
»Um wen handelt es sich?«, fragte er.
»Bitte bestätigen Sie die Identität der Verdächtigen«, sagte der Sergeant.
»Der Name der Frau ist Maggie Crew.«
»Okay, Verstärkung ist unterwegs.«
»Die Verdächtige ist bewaffnet. Wir brauchen ein schusssicheres Einsatzfahrzeug.«
»Verstanden.«
Cooper und der Sergeant wechselten einen Blick. Die Division E verfügte über keinerlei schusssichere Einsatzfahrzeuge. Das nächste in Reichweite patrouillierte derzeit vermutlich auf der Ml und würde fast eine halbe Stunde brauchen. Zu lange, dachte Cooper.
»Sergeant, erinnern Sie den Dienst habenden Inspector daran, dass ich im Schusswaffengebrauch ausgebildet bin«, sagte er.
Diane Fry war Maggie Crew in einen langen, engen Durchgang zwischen den beiden Auktionsarenen gefolgt. Auf der einen Seite drängten sich aufgeregte Kälber in stählernen Pferchen, auf der anderen standen mit dunkler Flüssigkeit gefüllte Plastikfasser aufgereiht an einer Schlackensteinmauer.
Maggie blieb stehen und starrte Fry an. »Haben Sie es also doch geschafft, Diane. Meinen Glückwunsch. Sie sind mir unter die Haut gegangen, wie ein Parasit, den man nicht mehr loswird.«
»Das ist doch Wahnsinn, Maggie. Werfen Sie das Messer weg.«
Beim Anblick von Maggies eisiger Miene geriet Fry ins Stocken. Das schwache Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster auf sie fiel, reichte aus, um die wulstigen Ränder des kaum verheilten Gewebes auf Maggies Wange und Schläfe plastisch hervortreten zu lassen. Die Narbe flammte zornrot wie ein frisches Brandmal. Plötzlich wurde Fry klar, dass sie in der Falle saß. Sie waren allein in dem schmalen Durchgang mit seinen verrosteten Eisentoren und den nervösen Kälbern.
Fry sah jedes Detail des Messers, das Maggie in der Hand hielt: die blitzende Stahlklinge, das schwarze Heft, die Markierung auf dem Griff und die schmale Ablaufrinne für das Blut. Maggie hielt ihr das Messer hin, als handelte es sich um einen Schokoriegel, von dem sie sich ein Stück abbrechen sollte.
»Wir wollten ihnen damit die Reifen aufschlitzen«, sagte sie, und zum ersten Mal sah Fry sie richtig lächeln. Dabei zogen sich die Falten um ihren verletzten Augenwinkel stark zusammen und verzerrten das Lächeln zu einem grässlichen, ironischen Zwinkern. »Das hätte Ros gefallen.«
»Meinen Sie Ros Daniels?«
»Ja«, sagte Maggie. »Über Jenny Weston wussten Sie ja auch gut Bescheid.«
Sie umklammerte das Messer fester. Fry ließ die Hand unauffällig zu ihrem Schlagstock im Futteral gleiten.
»Ich habe Ihnen von Jenny Weston erzählt, weil Sie in ihr eine reale Person sehen sollten und nicht bloß ein weiteres Opfer«, sagte sie.
»Oh, Jenny Weston war für mich durchaus eine reale Person«, sagte Maggie. »Aber eins haben Sie bei Ihren Erzählungen ausgelassen. War sie die Geliebte meiner Tochter?«
»Ihrer Tochter?«
»Ja – meiner Tochter!«
Maggies laut hallender Schrei versetzte die Kälber in helle Aufregung. Mit schrillen Angstlauten stoben sie in die hintersten Winkel ihrer engen Stahlpferche und quetschten sich gegenseitig an die Gitterstäbe. Fry packte ihren Schlagstock am Griff und zog ihn mit einer Drehung heraus. Ein Klick, ein leises Zischen, und vierzig Zentimeter Stahl blitzten in der künstlichen
Weitere Kostenlose Bücher