Die schwarze Hand des Todes
Leben und Sterben in der Natur.
Cooper wusste aus Erfahrung, dass es manchmal besser war, seine Gedanken für sich zu behalten. Die meisten ranghöheren Beamten, wie zum Beispiel auch Chief Inspector Tailby, waren stolz auf ihren Pragmatismus und ihre Logik. Tailby stammte aus Nottingham, er war in den Straßen der Großstadt aufgewachsen und hatte die Gesamtschule besucht. Was mit Phantasie zu tun hatte, überließ er lieber Leuten wie Ben Cooper, als ob Phantasie ein exzentrischer regionaler Charakterzug wäre, ein seltsames Erbe der keltischen Vorfahren dieser Bergbewohner.
Cooper sah sich seine Kollegen an. Manche wirkten tatsächlich fehl am Platze, abgeschnitten von den Realitäten des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Wie zur Bestätigung dieses Gedankens drang aus dem Tal das Rattern einer Dampflokomotive zu ihnen herauf.
»Das ist der Zug«, sagte Cooper.
»Was?«, fragte Tailby.
»Die Peak Rail Linie. Auf der Strecke laufen alte Dampflokomotiven. Für die Touristen …«
Eine dicke weiße Wolke hing über den Lichtern der Talsenke und trieb mit der Brise auf Matlock zu. Als das Stampfen der Lokomotive verklang, wurde sie von der Dunkelheit verschluckt.
Tailby drehte sich um. »Es wird Zeit, mit den Rangern zu reden.«
»Wir brauchen vernünftige Scheinwerfer hier oben«, sagte der Leiter des Tatortteams. »Wenn Sie wirklich ein Foto von der Schrift haben wollen.«
»Will ich«, antwortete Tailby. »Unbedingt.«
4
Der junge Ranger kam Ben Cooper irgendwie bekannt vor. Andererseits war der Name Roper weit verbreitet. Einer war in der Schule sein Mathelehrer gewesen, einer betrieb die Autowerkstatt in der Buxton Road, und einen weiteren hatte er sogar einmal wegen Exhibitionismus festgenommen. Vermutlich waren sie alle verwandt oder verschwägert.
Mark war ein hoch gewachsener junger Mann, dessen breite Schultern nicht recht zum Rest seines Körpers passen wollten. Er war nicht besonders muskulös, aber drahtig und fit. Auf seiner roten Parkrangerjacke trocknete ein dünner Streifen Erbrochenes. In der Rangerstation Partridge Cross hatte man ihm ein paar Tassen Tee eingeflößt. Er war noch immer leichenblass, aber wenigstens funktionierten seine Nieren ausgezeichnet. Als die Polizei eintraf, kam er gerade von der Toilette.
Nachdem er leicht schwankend Platz genommen hatte, stellte sich Chief Inspector Tailby vor und begann mit der Befragung.
»Ich habe im Moor einen Kontrollgang gemacht«, sagte Mark. »Im Ringham Moor. Ich war auf dem Weg, der nach Westen führt, auf die Jungfrauen zu.«
»Also in Richtung Steinkreis?«
»Das ist bloß einer von vielen. Aber er ist der bekannteste.«
»Schön.«
»Kurz vor den Jungfrauen habe ich dann das Fahrrad entdeckt.«
»Nicht so schnell. Haben Sie vorher jemanden im Moor gesehen?«
»Keinen Menschen. Alles war ruhig.«
»Keinen? Denken Sie bitte zurück zu dem Moment, als Sie in Partridge Cross aufgebrochen sind.«
Instinktiv schaute Mark zum Fenster. Cooper folgte seinem Blick. Hinter dem silberfarbenen Landrover mit dem schmalen roten Streifen und dem Ranger-Servicezeichen auf dem Dach zeichnete sich vor dem blassdunklen Himmel als schwarzer Höcker das Hochmoor ab.
»Auf dieser Seite vom Moor hat ein Mann auf dem Feld ein Gatter repariert. Ich kenne ihn vom Sehen. Ansonsten bin ich keinem begegnet.«
»Okay. Beschreiben Sie uns bitte das Fahrrad«, sagte Tailby.
Mark fasste etwas mehr Selbstvertrauen. Er zog ein kleines Notizbuch aus der Jackentasche und blätterte darin. Aber er brauchte keinen Blick hineinzuwerfen, um antworten zu können. Er hatte das Bild noch sehr deutlich vor Augen.
»Es war ein gelbes Dawes. Eines von den Mieträdern, das habe ich gleich gesehen. Es lag unter einem Ginsterbusch, zwischen ein paar Birken. Ein Rad war ab. Ich dachte, jemand hätte es ausgeliehen, einen Unfall gehabt und es einfach ins Gebüsch geschmissen. So was ist denen zuzutrauen.«
»Denen?«
»Na, den Besuchern. Den Touristen. Das kommt vor, dass sie ihr Rad einfach irgendwo liegen lassen und dann sagen, es wäre geklaut worden, oder sie hätten es verloren. Sie würden es kaum glauben, was für Lügen die uns manchmal auftischen.«
»Haben Sie das Fahrrad angefasst?«
»Nein.«
»Das wissen Sie genau, Mark?«
»Ja. Ich habe bloß nach der Nummer geschaut. Weil ich mir dachte, dass es ein Mietrad war. Was ja dann auch stimmte, oder?«
»Ja.« Die Erleichterung über diese Tatsache war Tailby noch immer anzuhören. Weil es ein Mietrad war,
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