Die schwarze Hand des Todes
nicht in Sicherheit wiegen. Na, wir haben jedenfalls noch mal Schwein gehabt. Armstrong ist unabkömmlich wegen diesem Kinderschänderfall. Die ersten Festnahmen stehen anscheinend unmittelbar bevor. Du weißt doch, die Kleine, die zu Tode gekommen ist …«
»Ja, ich weiß.«
»Also musste Hitchens antanzen, obwohl er Urlaub hat. Dabei ist er doch gerade erst mit dieser rothaarigen Krankenschwester in ein neues Haus gezogen. Jetzt hat er natürlich ebenfalls eine Stinklaune. Ich sag dir, da oben herrscht eine Bombenstimmung. Bin echt froh, dass ich die Biege machen konnte.«
Weenink bog in die Straße hinter dem Flussspatwerk ab, um den Engpass in Bakewell zu umgehen. Er gondelte gemächlich um die Kurven, wie ein Rentner auf einer Sonntagsfahrt ins Grüne.
»Todd? Geht es nicht ein bisschen schneller?«
»Mmm, die Straßen sind so rutschig wegen dem vielen Laub«, sagte Weenink. »Man kann gar nicht vorsichtig genug fahren.«
Die Stimmung im Moor war gedrückt. Ben Cooper hatte fast ein schlechtes Gewissen wegen seiner Vorfreude, die ihm nicht einmal während der Fahrt mit Todd Weenink vergangen war. Der Steinkreis war weiträumig abgesperrt, Scheinwerfer beleuchteten ein kleines Zelt in der Mitte. Absperrbänder säumten einen Pfad, der zu einem Ginsterbusch führte. Das Band flatterte raschelnd im Wind, ein Geräusch wie im Fußballstadion, wenn die Fans ihr Team halbherzig anfeuern.
»Donnerstagnacht hat es leicht geregnet, aber bis zum Morgen war alles wieder getrocknet«, sagte Cooper.
Sogleich stand er im Mittelpunkt des Interesses. Hitchens zog zweifelnd eine Augenbraue hoch, aber Tailby nickte zufrieden.
»Am nächsten Morgen war der Boden nämlich gerade richtig locker, um die Zuckerrüben zu ernten«, führte Cooper erläuternd aus. Er strich mit dem Finger über eine Einbuchtung in einem der Steine. »Andererseits hat es seitdem nicht so viel Sonne gegeben, dass die Feuchtigkeit auch an windgeschützten Stellen völlig abtrocknen konnte.«
Plötzlich bemerkte er die spöttischen Blicke, die ihn trafen. »War das nicht die Frage?«, sagte er.
Hitchens zuckte mit den Achseln. Er trug ein altes Rugbyhemd über der Jeans. Vielleicht hatte er früher in der Divisionsmannschaft gespielt, bis er so hoch aufgestiegen war, dass ihm die eigenen Leute gefährlicher wurden als der Gegner.
»Könnte Stride ein Name sein?«, fragte er.
»Welcher Mörder würde uns wohl freundlicherweise seine Visitenkarte hinterlassen?«, sagte Tailby. »Und diese Steine …«
»Die Neun Jungfrauen«, sagte Cooper.
»Was hat es damit auf sich?«
»Sie sind die Überreste einer Grabkammer aus der Bronzezeit. Aber bei den Einheimischen heißen sie die Neun Jungfrauen, wegen der Legenden …«
»Wie alt?«
»Dreieinhalbtausend Jahre, über den Daumen gepeilt.«
»Die letzten Jungfrauen in Derbyshire«, sagte Hitchens.
Cooper verkniff sich eine Antwort. Ein Beamter der Spurensicherung kratzte an der Stelle, wo die Tote gelegen hatte, blutgetränkte Bodenproben zusammen. Das leise Gelächter, das Hitchens Bemerkung hervorgerufen hatte, wurde mit dem toten Laub vom Wind davongeweht.
In Kürze würde der Superintendent einer anderen Division die Leitung der Ermittlungen übernehmen. Er würde sauer sein, dass dieser Posten in Edendale noch immer nicht neu besetzt worden war. Es bedeutete nämlich, dass man ihn aus seinem eigentlichen Zuständigkeitsbereich abziehen musste, wo es ebenfalls wichtige Fälle gab, die der Aufklärung harrten.
Aber es war schon der zweite Überfall auf eine Frau in der gleichen Gegend, und diesmal war das Opfer tot. Auf der Führungsebene würde sich Panik breit machen, und die mittlere Etage würde den Druck an die unterste weitergeben.
Ben Cooper kannte das Ringham Moor gut, aber heute war die Atmosphäre viel beklemmender als sonst. Irgendetwas stimmte nicht. Normalerweise hatte ein Tatort etwas Düsteres, Klaustrophobisches an sich, das hatte er schon oft genug erlebt. Doch davon war bei den Neun Jungfrauen nichts zu spüren. Sehr oft handelte es sich bei einem Tötungsdelikt um eine Beziehungstat, meistens sogar aus dem engsten familiären Umfeld heraus, wo sich die Emotionen so lange aufstauten, bis schließlich jemand zum Äußerten getrieben wurde. Hier dagegen hatte er ein Gefühl von Weite und Zeitlosigkeit, als ob alles seinen natürlichen Gang ginge, wie seit Tausenden von Jahren schon. Endlos wiederholte sich der langsame Reigen der Jahreszeiten, ein steter Kreislauf von
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