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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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nicht mehr betreten konnte. Damals hatten ihr erst die Straßen der Großstadt wieder in Erinnerung gerufen, aus welchem Grund sie sich überhaupt in diese gottverlassene Gegend hatte versetzen lassen.
    Sie fuhr die Ringstraße entlang, stellte den Wagen in einem Parkhaus in der Nähe der Fußgängerzone ab und machte sich auf den Weg zum Busbahnhof. Sie ließ noch eine Straßenbahn vorbeifahren und überquerte die Straße.
    Die alten Bögen unterhalb des Bahndamms würden verschwinden, sobald die Sanierungswelle auch diesen Teil der Stadt erreichte. Doch noch hausten Menschen in den Gewölben, einzelne Gestalten, die unter dreckigen Wolldecken und Pappkartons oder in Schlafsäcken lagen, eng aneinander gedrängt, und doch jeder in seiner eigenen Welt, ohne mit dem anderen zu reden oder ihn auch nur wahrzunehmen. Aus Selbstschutz hatte sich jeder in sein Schneckenhaus verkrochen. In der Not konnte der Mensch vieles verdrängen, sogar die allzu große Nähe anderer.
    Die Gewölbe unter den Bögen, die früher als Werkstätten und Lagerräume gedient hatten, wurden schon seit Jahren mit Brettern vernagelt, aber nie für lange. Früher oder später verschaffte sich immer wieder jemand Zugang zu den tiefen, muffigen Höhlen, in die sich nur ein Verrückter freiwillig hineingewagt hätte.
    Fry blieb in einiger Entfernung stehen. Nach ein paar Minuten löste sich eine Gestalt aus dem Schatten eines Gewölbes und kam auf sie zu. Es war eine Frau, vielleicht ein paar Jahre jünger als sie selbst. Ihr Blick war verzagt und trotzig zugleich.
    »Bist wohl neu hier. Was willst du?«
    Fry musterte sie genau, fand aber nicht das, was sie suchte. »Ich schau’ mich nur um.«
    »Was willst du? Sex? Stoff?«
    »Nein.«
    »Dann bist du ein Bulle.«
    »Ich suche diese Frau.«
    Fry nahm ein abgegriffenes Foto aus ihrer Brieftasche. Es war mindestens zehn Jahre alt. Obwohl sie sich nichts davon versprach, musste sie es wenigstens versuchen. Sonst konnte sie die Hoffnung gleich ganz begraben.
    »Kenn ich nicht.«
    »Sehen Sie doch erst mal richtig hin.«
    »Steckt sie in der Scheiße?« Die Frau sah sich das Foto an, schürzte verächtlich die Lippen und rümpfte die Nase. »Nee. Die ist schon mal viel zu sauber. Und diese Frisur. Wo gibt’s denn so was?«
    »Es kann sein, dass sie heute anders aussieht«, sagte Fry.
    »Ach ja?«. Sie lachte. »Dann kannst du dir die Mühe doch gleich sparen.«
    Die Frau ging weiter. Immer dasselbe. Am liebsten hätte Fry sie in den Polizeigriff genommen, ihr Handfesseln angelegt, sie mit aufs Revier geschleppt und so lange vernommen, bis sie herausbekam, was sie wissen wollte. Aber hier in Sheffield hatte sie gar nichts zu melden, im Gegenteil, sie musste um Informationen betteln. Es war riskant genug, sich überhaupt hier herumzutreiben. Oder anders gesagt, sie benahm sich wie ein Vollidiot. Was trieb sie bloß, sich auf diese sinnlose Suche zu begeben? Warum kam dieser Drang, den sie nun schon so lange unterdrückte, ausgerechnet jetzt wieder zum Vorschein? Die Antwort lag auf der Hand. Auch dafür war Ben Cooper verantwortlich.
    Dabei wäre Cooper in der Großstadt völlig verloren. Wie ein Gefangener war er an die Gegend gekettet, aus der er stammte. In diesen Straßen würde er sich niemals zurechtfinden, auch wenn er im Moor jeden Weg und Steg kannte, wie ein Hütehund, der nur seiner Nase zu folgen brauchte. Sie hatte es selbst miterlebt. Zum Wahnsinnigwerden.
    Aber sogar Cooper saß mittlerweile sicher schon gemütlich zu Hause, bei seiner Familie auf der Farm. Warm und geborgen hockte er in seinem Nest, genau wie das Vieh im Stroh der Ställe, die sie dort einmal gesehen hatte.
    Diane Fry fühlte sich am sichersten, wenn sie ein Dach über dem Kopf hatte. Wer ging schon freiwillig nachts in die Berge?
     
    Es war völlig dunkel im Moor – eine Welt aus unterschiedlichen Schwarztönen, die am Rand seines Gesichtsfeldes zu fantastischen Formen und unbestimmten Bewegungen verschmolzen. Die Tänzerinnen fürchteten sich nicht vor der Dunkelheit, genauso wenig wie er. Er kannte nichts Schöneres, als nachts oberhalb des Steinbruchs umherzustreifen, die Arme ausgestreckt wie ein Blinder, sich vorsichtig einen Weg zu ertasten, die Rinde der schlanken Birken zu streicheln und ihre Blätter zu berühren, während seine Füße wispernd und seufzend durch das Heidekraut raschelten und er sich allein am Funkeln eines Sterns orientierte, das sich auf einem Stückchen Quarz widerspiegelte.
    In der

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