Die schwarze Hand des Todes
Zeichentrickfilm an.
»Nächste Woche fahren wir zu Dads Grab«, sagte Cooper. »Es ist sein Todestag.«
»Meinst du etwa, das hätte ich vergessen?«, gab Matt zurück.
Abgelenkt blätterte er weiter in seiner Zeitschrift. »Sag Mum nichts davon«, fügte er hinzu. »Du weißt doch, wie sehr sie das mitnimmt. Wo sie zur Abwechslung mal stabil ist, wäre es schön, wenn es eine Zeit lang so bliebe. Sonst ist hier bald wieder die Hölle los. Und das möchte ich den Mädchen lieber ersparen.«
»Aber wir können es ihr doch nicht einfach verschweigen«, sagte Ben. »Sie wäre am Boden zerstört, wenn sie wüsste, dass wir ohne sie auf dem Friedhof waren.«
»Aber wenn sie es nun wirklich vergessen hat? Sollen wir dann einen neuen Schub riskieren? In der letzten Zeit ist es ihr so gut gegangen. Es könnte sie um Monate zurückwerfen. Alles würde wieder aufgerührt, nur weil es sein Todestag ist. Wir würden ihr keinen Gefallen tun, wenn wir sie daran erinnern.«
»Ich finde, das ist nicht ehrlich«, sagte Cooper.
»Manche Dinge sollte man auch vergessen dürfen. Wir können froh sein, wenn ihr Gedächtnis sie im Stich lässt.«
»Schizophrenie als Gnade, ja? Das hört man gern.«
»Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du genau.« Müde legte Matt die Farmers Weekly weg und rieb sich das Gesicht. »Tut mir Leid. Es ist bloß …« Er zuckte mit den Schultern. »Es hört einfach nie auf.«
Mehr Worte brauchten die Brüder darüber nicht zu machen. Es war alles längst gesagt.
Die Tür ging auf, und Kate sah herein, begleitet von einem Schwall lauter Filmmusik. Matt widmete sich wieder der Zeitung. Cooper hatte ein angefangenes Buch im Regal liegen, das er unbedingt zu Ende lesen wollte – Captain Corelli’s Mandolin. Er schien immer Jahre hinter allen aktuellen Gesprächsthemen herzuhinken. Er fand nie Zeit zum Lesen. Und wenn doch, so wie heute, dann konnte er sich nicht konzentrieren.
»Matt, kennst du vielleicht zufälligerweise einen Warren Leach? Er ist Farmer.«
»Leach? Leach … Wo liegt sein Hof?«
»In Ringham Edge.«
Matt runzelte die Stirn. »Nur vom Sehen. Ich glaube nicht, dass ich schon mal mit ihm gesprochen habe. Ein dunkelhaariger Kerl, ziemlich unfreundlich?«
»Das klingt nach ihm.«
»Was hat er ausgefressen?«
»Nichts, soweit ich weiß. Ich bin nur im Verlauf einer Ermittlung auf ihn gestoßen.«
»Ringham Edge. Kleine Milchviehherde, richtig? Und jede Menge Grenzertragsland?«
»Ja.«
Matt nickte, las ein paar Zeilen weiter und ließ die Zeitschrift wieder sinken.
»Einigen von denen steht das Wasser bis zum Hals«, sagte er.
»Wem?«
»Farmern wie diesem Leach in Ringham Edge, die nicht auf andere Produkte umstellen können. Aber er ist natürlich nur einer von vielen.«
»Es sah wirklich ganz schön deprimierend bei ihm aus.«
»Es ist alles deprimierend. Alles.«
»Ach, komm, Matt. So schlimm wird es schon nicht sein.«
»Und ob. Die Landwirtschaft ist am Ende. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass es irgendwann wieder bergauf geht. Jedenfalls nicht hier bei uns. Die kleinen Farmer müssen alle aufgeben. Es ist zu viel für sie. Sie können nicht mehr.«
»Hast du mal irgendwas Bestimmtes über Leach gehört?«
Matt schüttelte energisch den Kopf. »Wie gesagt, er ist mir schon mal über den Weg gelaufen. Aber ansonsten kenne ich den Mann nicht.«
»Aber es wäre möglich, dass du jemanden kennst, der ihn kennt.«
»Wäre möglich«, sagte Matt.
»Vielleicht sind Gerüchte über ihn im Umlauf. Ihr Farmer redet doch miteinander. Auf dem Viehmarkt kommt man ins Gespräch.«
Matt machte ein störrisches Gesicht. »Willst du etwa, dass ich hinter diesem Leach herschnüffle?«
»Nur, falls dir etwas zu Ohren kommt. Dann könntest du es mir doch …«
»Tut mir Leid, Ben.«
»Was?«
»Das heißt nein, so etwas mache ich nicht. Ich habe keine Lust, für dich den Hilfssheriff zu spielen. Und ich will auch kein Polizist sein. Den Job kannst du gern behalten.«
Kate stand immer noch in der Tür. Offenbar spürte sie, dass sich zwischen den Brüdern ein Streit anbahnte, denn sie schüttelte warnend den Kopf. Sie sollten Rücksicht auf die Mädchen nehmen. Damit hatte sie natürlich Recht. Die hatten in ihrem jungen Leben schon genug Kummer erlebt.
Also schwieg Ben Cooper und dachte sich sein Teil. Matt und er hatten, solange er denken konnte, nie richtig über ihren Vater geredet, und nach seinem Tod war es zu spät gewesen, damit anzufangen. Dabei hätte
Weitere Kostenlose Bücher