Die schwarze Hand des Todes
einen Mann in einem geparkten fremden Wagen beobachtet, der ungefähr zur gleichen Zeit weggefahren war, als Jenny das Haus verließ.
Ein dritter Zeuge berichtete von einem hellen Lieferwagen, möglicherweise ein alter Ford Transit oder eine ähnliche Marke, der zweimal langsam die Straße entlanggefahren war. Er hatte befürchtet, es wären Zigeuner oder Lumpenkerle, wie er sie nannte, die Schrott sammeln wollten – oder alles mitgehen ließen, was nicht niet- und nagelfest war.
Mehrere Nachbarn berichteten übereinstimmend, dass Jenny auch Besuch von Frauen bekommen hatte, darunter ein Mädchen mit dunklen Rastalocken, das besonders aufgefallen war. Rastalocken waren in Totley ein seltener Anblick.
Diese Informationsschnipsel waren an die Polizisten weitergeleitet worden, die Jennys Kolleginnen bei der Global Assurance befragten. Doch keine der Frauen konnte sich daran erinnern, dass Jenny jemals darüber geklagt hätte, von einem enttäuschten Liebhaber belästigt zu werden. Und falls ihr Exmann versucht hatte, sich wieder an sie heranzumachen, dann hatte Jenny es jedenfalls niemandem anvertraut. Außerdem würden die Beamten in der Zentrale die bisherigen Ergebnisse in den Polizeicomputer eingeben. Vielleicht fand sich irgendwo eine Querverbindung. Das kleinste Detail konnte genügen, den Ermittlungen eine völlig andere Richtung zu geben.
Hitchens, der inzwischen mit dem Handy Tailby angerufen hatte, beendete das Gespräch und eröffnete Fry, was für eine Aufgabe er ihr als Nächstes zugedacht hatte.
»Das soll hoffentlich ein Scherz sein«, sagte sie. Aber es war keiner.
Mark Roper schlug mit der Gabel klappernd an den Rand des Plastiknapfs. Aus dem Gebüsch am Ende des Gartens tauchten drei Katzen auf, eine graue und zwei getigerte. Den Schwanz hoch in die Luft gereckt, kamen sie angelaufen und strichen um seine Beine, bis er ihnen die Näpfe auf den Boden gestellt hatte und sie sich über die Fleischstücke hermachten.
Während sie das Futter hinunterschlangen, wechselte Mark das Stroh im Kaninchenstall und gab den Tieren frisches Wasser. Sie witterten seinen vertrauten Geruch und beäugten ihn mit schnuppernden Nasen durch den Maschendraht. Mark setzte sich auf einen umgedrehten Milchflaschenkasten und sah den Katzen beim Fressen zu.
Normalerweise wäre er um diese Zeit bei der Arbeit gewesen, aber man hatte ihm nahe gelegt, sich den Tag freizunehmen. Und was sollte er zu Hause mit sich anfangen? Herumsitzen und nachdenken, noch einmal den Moment durchleben, als er die ermordete Frau bei den Neun Jungfrauen gefunden hatte, und darüber nachgrübeln, wie und warum sie zu Tode gekommen war? Mark wäre viel lieber bei Owen gewesen. Wenn er etwas zu tun gehabt hätte, wäre er wenigstens abgelenkt. Aber er hatte nicht widersprechen wollen. Sonst würde man ihn noch für einen Sonderling halten.
Wie hielten es andere Leute bloß aus, den ganzen Tag zu Hause zu hocken? Für ihn gab es nichts Schlimmeres. Er bekam schon nach kürzester Zeit Beklemmungen, er wurde nervös und regte sich über die Unordnung auf, über die schmutzige Wäsche auf den Stühlen und die leeren Bierflaschen und überquellenden Aschenbecher auf dem Fußboden.
Von seinem Vater war im Haus kaum noch etwas zu sehen. Seine Kleider waren weg, seine Bücher, sein Spazierstock und sein ausgestopfter Waldkauz. Alles ausrangiert. Der Lebensgefährte von Marks Mutter hatte alle Spuren ihres Ehemannes beseitigt. Nur an den Garten hatte er nicht gedacht. Hier war Mark noch von all den Sachen umgeben, die sein Vater über die Jahre gesammelt hatte – jeden Ast, jeden Stamm, jeden Stein. Den Milchkasten zum Beispiel hatte er einmal am Straßenrand gefunden und mitgenommen, weil er dachte, er könnte ihn noch mal irgendwann gebrauchen. Mark hatte seinem Vater geholfen, die Kaninchenställe zu bauen; am Holzrahmen konnte man noch sehen, wo er die Säge und den Hobel angesetzt hatte. In solch unbedeutenden Dingen lebte er für ihn fort. Darin und in den Albträumen, die ihn manchmal nachts aus dem Schlaf rissen und ihn wie ein kleines Kind nach seinem Dad rufen ließen.
Mark saß auf dem Kasten und dachte an die Frau im Moor und an Owen Fox. Obwohl er ihn noch gar nicht so lange kannte, betrachtete er ihn als eine große Stütze. Die Angst, vielleicht auch noch diesen Halt zu verlieren, war so groß, dass er sich nicht beherrschen konnte und einen lauten Fluch ausstieß. Die Katzen zuckten erschreckt zusammen und huschten wie der Blitz
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