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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Mordermittlung häufte sich die Arbeit. Er wusste kaum, wie er sie in der wenigen Zeit, die ihm neben dem Fall Weston noch blieb, erledigen sollte. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass Fry neben seinem Tisch stand und ihn herausfordernd anstarrte. Er empfand ihre Nähe als einschüchternd.
    »Los, raus damit«, sagte sie. »Was wolltest du über Inspector Armstrong andeuten?«
    »Sie hat natürlich ihre eigenen Pläne. Das sagen alle.«
    »Das ist Blödsinn, und das weißt du auch. Kim Armstrong ist eine kompetente, fähige Frau, die mit großem persönlichem Engagement eine wichtige Ermittlung leitet. Es geht um das kleine Mädchen, das getötet wurde …«
    Sie stockte. Cooper musste schmunzeln. Er konnte einfach nicht anders, weil Fry jetzt plötzlich selbst einen anderen Menschen leidenschaftlich in Schutz nahm. Er nickte ihr zu, auch wenn er ihr am liebsten auf die Schulter geklopft hätte.
    Verblüfft ließ sie ihn in Ruhe. Sie stellte einen Papierkorb auf den Schreibtisch und fing an, die Schubladen auszuräumen. Sie warf die Sachen ihres Vorgängers in den Korb, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Okay, Diane«, sagte er. »Du wolltest mir doch von dem kleinen Mädchen erzählen. Wie ist sie gestorben?«
    Fry stieß auf einen Kalender von 1999 mit nackten Frauen, die sich auf roten Sportwagen räkelten. Mit angewiderter Miene riss sie ihn durch und stopfte ihn in den Papierkorb.
    »Das weiß niemand ganz genau«, antwortete sie. »Niemand weiß, was für grauenvolle Dinge man ihr angetan hat, bevor sie starb.«

15
    Owen Fox’ Finger begannen zu kribbeln, und er überlegte, ob er Handschuhe anziehen sollte. Doch es würde nicht viel helfen. Was ihn schmerzte, war mehr als nur die Kälte.
    In den letzten Jahren hatten seine Hände Dinge getan, an die er nicht mehr denken wollte. Und meistens gelang es ihm auch, die Erinnerungen zu verdrängen. Wenn er auf einem Berg stand, vertrieb der Wind sie meist aus seinen Gedanken. Aber sie waren nicht nur in seinem Kopf, sondern auch in seinen Händen gespeichert; er konnte das Blut noch fühlen und die schlaffen Glieder, die kalten Wangen. Es war, als ob er das tote Kind bis ans Ende seiner Tage in den Armen halten müsste.
    Hatten die Hände ein besseres Gedächtnis als der Verstand? Manchmal reichte eine ganz alltägliche Berührung, um die Erinnerungen wieder hochkommen zu lassen – der raue Ärmel einer abgewetzten Lederjacke, runde Äpfel und Birnen in einer Plastiktüte, ein Spritzer warmer Gemüsesuppe. Und schon überfielen sie ihn, so unvermittelt und heftig, dass er am ganzen Leib zitterte und keine Luft mehr bekam, weil sie ihm die Kehle zuschnürten.
    Manchmal wurden sie durch einen Geruch oder ein Geräusch ausgelöst – eine Benzinpfütze an der Tankstelle, das Ticken eines sich abkühlenden Motors. Aber am schlimmsten war es bei den Berührungen, so schlimm, dass er sich am liebsten die Hände abgehackt hätte.
    Owen konnte den Blick nicht von der tiefen Furche lösen, die von der Wurzel des Zeigefingers bis zum äußeren Rand der Handfläche verlief. Es faszinierte ihn, wie sie sich teilte und verzweigte und von anderen überschnitten wurde. War das nicht die so genannte Lebenslinie? Oder meinte man damit die Furche, die sich quer über die Daumenwurzel zog? Im Grunde war es egal, da sowieso beide Linien in einem Netz aus feinen Rillen endeten. Sie brachen nicht plötzlich ab, sondern verloren sich im Ungewissen, Ungefähren.
    Er zwang sich wegzusehen. Wenn er zu lange auf seine Hände starrte, würde er womöglich das Kind sehen, das tote Mädchen in dem zerrissenen blauen Kleid, das schwer und schlaff in seinen Armen lag. Er musste an etwas anderes denken. Vielleicht konnte er etwas für Mark tun, irgendetwas, das ihm half, den Schock zu überwinden.
    Er durfte sich wegen Mark keine Vorwürfe machen. Der Junge würde schon darüber hinwegkommen. Das durfte er sich nicht auch noch aufbürden. Ihm lag schon genug auf der Seele. Sollten doch andere die Schuld auf sich nehmen.
     
    Mark Roper pirschte über die mit welkem Heidekraut bewachsenen Hänge. Vorsichtig trat er in die Kaninchenspuren, um sich nicht durch das Knacken eines trockenen Zweigs zu verraten. Es war, als ob ihn der federnde Torf unter seinen Füßen erkannte und freudig begrüßte, als ob die spröden Stängel, die nach seinen Hosenbeinen griffen, freundschaftlich die Hand nach ihm ausstreckten. Seit einer Stunde war er nun bereits am Berg, ohne dass er von den Männern,

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